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Gesetzgeber braucht deshalb gar nicht zu befehblen oder auch nur
zu verlangen, dass die Rechtssätze befolgt werden; indem er den
Gesetzgebungsact vornimmt, weiss er schon, dass die Beamten an
die bezeichneten Rechtssätze gebunden sind. Der Gesetzgebungs-
act ist erkennbar durch seine Form. Diese Form, sowie die Be-
fugniss zum Gesetzgebungsacte selbst, die Competenz ist durch das
positive Recht geordnet, sodass der Gesetzgebungsact auf seine
Rechtsförmigkeit hin geprüft werden kann'”.
Der Gesetzgebungsact wendet sich vornehmlich, wenn auch
nicht ausschliesslich an die Behörden und Beamten. Diese haben
mit Annahme ihres Amtes Pflichten übernommen und diese Pflich-
ten bestehen darin, die erlassenen und geltenden Gesetze zu be-
obachten und anzuwenden. Es giebt Gesetze, welche sich über-
haupt nur mit dem Verhalten der Behörden und Beamten befassen,
so namentlich Gesetze, welche das Verwaltungsrecht und das for-
melle Prozessrecht betreffen. Aber auch die Gesetze, die ihrer
Natur nach das Publikum überhaupt berühren, also das Civil-
gesetz und das Strafgesetz finden ihren Anhalt durch die An-
wendung der Behörden. Dadurch, dass die Behörden bei ihren
Entscheidungen und Verfügungen das Civil- und Strafgesetz zu
Grunde legen, wird das Publikum genöthigt, diese Rechtssätze
ebenfalls anzuerkennen, wenn sonst nicht Nachtheile gewärtigt
werden wollen. Alles Recht sieht indirect oder direct das Ver-
halten staatlicher Organe vor. Die Rechtsgesetze unterscheiden
sich eben von anderen, z. B. von Anstands- und Höflichkeits-
gesetzen dadurch, dass sie bei Verletzungen immer ein Ein-
greifen von Staatsorganen vorsehen; das Charakteristische des
1° Die Pflicht des Beamten und Richters ist diejenige eines Mandatars.
Er soll sich so verhalten und handeln, wie das Gesetz es vorschreibt. Das
Gesetz ist die nähere Instruction, die Anweisung, wie die Behörde ihren
Pflichten nachzukommen hat. Die durch den Gesetzgebungsact bezeichneten
Rechtssätze sind Inhalt des Mandats und insoweit kann man jedes Gesetz
ala Mandat an die Behörden oder vielmehr als Ergänzung, Erweiterung und
Abänderung eines bereits bestehenden Mandates bezeichnen.