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der spartanische König Archidamus, es sei widerrechtlich, einen
Feind anzugreifen, welcher sich bereit erkläre, wegen seiner
Handlungen vor einem Schiedsgericht Rechenschaft abzulegen.
Der fünfzigjährige Bundesvertrag zwischen Argos und Lace-
daemon enthielt eine Klausel, wonach etwa entstehende Diffe-
renzen zwischen den Kontrahenten in Gemässheit der Traditionen
der Vorfahren einer neutralen Macht zur schiedsgerichtlichen
Entscheidung unterbreitet werden sollten. Diese Anschauungen
des aufgeklärten Heidentums wurden in christlichen Zeiten wieder
verstärkt. Die römischen Kaiser während einer gewissen Zeit,
und später in vollerem Masse die Päpste haben durch ihre
Schiedssprüche häufig den Frieden der alten Welt bewahrt und
Blut- und Geldopfer verhindert. Indessen von Zeit zu Zeit, und
besonders heftig, wenn der Einfluss des Oberhaupts des Christen-
tums geschwächt war, brach die menschliche Leidenschaft ihre
Fesseln, die Herrschaftsbegierde machte sich fühlbar und viele
Teile Europas wurden zu ebensovielen Golgotha-Feldern. In
unseren Zeiten hat sich der Wunsch nach der Erledigung inter-
nationaler Zwistigkeiten auf friedlichen Wegen verbreitet und
an Stärke zugenommen. Der Grund liegt auf der Hand. Die
Menschen und Nationen sind aufgeklärter; die drückenden Lasten
der militärischen Rüstungen werden tief gefühlt, und in unseren
Tagen, wo — allgemein gesprochen — die Völker auf den
Thronen sitzen, finden ihre Anschauungen in einer über die
ganze Welt verbreiteten Presse einen freien und wirksamen
Ausdruck. Vereinigungen besorgter und gebildeter Leute haben
an vielen Orten die Bewegung aufgenommen. Das Bureau Inter-
national de la Paix berichtet, dass etwa 94 freiwillige Friedens-
vereinigungen bestehen, gegen 40 in Europa und 54 in Amerika.
Zur Erreichung desselben Zweckes sind verschiedene Kongresse
in Europa abgehalten worden. 1873 formierte sich in Gent
das Institut du Droit International mit dem erklärten Zweck,
dem Völkerrecht eine wissenschaftliche Grundlage zu geben,