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an Steuern bewilligt. Für alles, was daran unstreitig war, bleibt es also,
so möchten wir behaupten, bindend, wie man es vorgelegt hatte. In dieser
Richtung bewegt sich unseres Erachtens das Verfassungsverständnis von 1843
8 IV und ähnlich sucht Freiherr von RoTEnHAan in der Band II S. 579 an-
geführten Aeusserung die Sache zu beschränken auf den Streitpunkt. Be-
züglich dieses Streitpunktes selbst ist damit nicht gesagt, dass die Regie-
rung sich der Meinung des Landtages unbedingt zu unterwerfen hätte.
Will sie behaupten, der Landtag habe dabei seine verfassungsmässige
Pflicht ihr gegenüber verletzt, wonach er ja allerdings gehalten ist, die
wirklichen Staatsbedürfnisse anzuerkennen und zu decken, so mag sie sich
im Wege der Selbsthilfe Recht verschaffen, indem sie den Widerspruch
nicht beachtet. Gelegentlich der etwa zu erhebenden Ministeranklage kann
nachher die Frage zum Austrage kommen, ob sie wirklich in diesem Falle
war oder nicht. Sofern aber von seiten der Regierung eine solche Pflicht-
verletzung des Landtags nicht behauptet werden kann, ist ihre Veraus-
gabung dieses Postens einfach rechtswidrig und eine Verletzung des Bud-
getrechts des Landtags, wonach grundsätzlich an voraussehbaren Ausgaben
nur geleistet werden darf, was er geprüft und anerkannt hat.
Auf diese Weise würde der Punkt, wo das geordnete Recht aufhört
und die thatsächliche Macht an die Stelle tritt, noch um eine Spanne
weiter zurückzuschieben sein, ale SEyYDEL es thut. —
Zum Schlusse sei noch ein Kardinalpunkt berührt: die juristische
Person des öffentlichen Rechtes. Die realistische Richtung, welche
der Verfasser vertritt, hat ihn von Anfang an in eine gewisse Gegnerschaft
gebracht zu der üblichen Verwertung des Begriffes der juristischen Person
auf unserem Rechtsgebiet. Sie ist ihm nur eine abgekürzte Ausdrucks-
weise für die wirklichen Menschen, die dahinter stehen; sie führt „inner-
halb der Rechtsordnung ein bloss gedachtes Dasein“, d. h. also eigentlich
gar keines. Für das Civilrecht mag sie noch gelten; dagegen „über die
Notwendigkeit der Fiktion juristischer Persönlichkeiten des öffentlichen
Rechtes lässt sich streiten“ (Annalen 1876 S. 653). Sie leidet hier an einem
inneren Widerspruch: es handelt sich um die Herrschaft, um die öffent-
liche Gewalt; „Gewalt aber ist Ueberlegenheit eines Willens über einen
anderen“; ein gedachtes, thatsächlich nicht zu gewahrendes Wesen, hat
keinen Willen, ihm kann also auch die öffentliche Gewalt nicht zustehen;
an seiner Stelle erscheint im Staat der lebendige Herrscher (in HoLTzEn-
DORFFS Jahrb. 1879 S. 274).
Sein grosses Werk gab Seroe Gelegenheit, die Anwendbarkeit dieses
grundsätzlichen Standpunktes nach verschiedenen Seiten hin zu erproben.
Die Persönlichkeit des Bairischen Staates fällt natürlich weg; da-
für finden wir „den im König persönlich gewordenen Staat“ (Band I S. 203);
der König „verkörpert in sich die staatlichen Interessen“ (Band I S. 346).
Der König selbst hat „zwei rechtlich getrennte Persönlichkeiten“, die als