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gemacht in Beziehung auf die Frage, welche Massregeln er er-
greifen könne. Man kann nach diesem Satze kaum be-
zweifeln, dass er die allerwichtigsten Gesetze ausser
Kraftsetzen kann. Das Wort des Gesetzes spricht das deutlich
aus, und wenn der Abgeordnete von PUTTKAMER gemeint hat,
dass die Massregeln innerhalb des Rahmens der Gesetze liegen
müssen, dann ist das eine Interpretation, welche in Colmar
möglich sein mag, in Deutschland ist sie es nicht Der
zweite Theil des Paragraphen, um dessen Aufhebung es sich
handelt, legt dem Öberpräsidenten dann ausser den im ersten
Absatz liegenden generellen Befugnissen noch die Befugnisse bei,
welche in dem französischen Gesetze enthalten sind. Damit wird
aber die generelle, viel weiter greifende Befugniss des ersten
Satzes nicht aufgehoben, und es hatte darum der Abgeordnete
(UERBER durchaus Recht, wenn er sagte, es sei eine solche Be-
fugniss, wie der 8 10 dem Oberpräsidenten beilegt, in keinem
Staate der civilisirten Welt zu finden. Es ist der reinste Abso-
lutismus in der allerschlimmsten Form“ ?°,
Von den späteren Erörterungen über diesen Gegenstand
seien noch die Aeusserungen der Abgeordneten KABLE, PREISS
und BEBEL erwähnt.
Der Abgeordnete KABL£ erklärte in der Reichstagssitzung
vom 28. Jan. 1885, die Befugniss der elsass-lothringischen Re-
gierung, alle Massregeln zu treffen, welche sie für gut halte, sei
eine „Vollmacht en blanc über alle Bürger, über ihr Gut, ihre
Existenz, über alle Lebensverhältnisse*?*!. Der Abgeordnete
Preıss äusserte in der Reichstagssitzung vom 31. Jan. 1895,
der Diktaturparagraph sei eine Bestimmung, die Gut und Blut,
Freiheit und Ehre der- elsass-lothringischen Staatsbürger der
schrankenlosen Willkür eines einzelnen Mannes zu jeder beliebigen
Zeit und an jedem beliebigen Orte Elsass-Lothringens unter-
*° Reichstagsverhandlungen vom 3. März 1874 (Sten. Ber. S. 212).
*1 Reichstagsverhandlungen vom 28. Jan. 1885 (Sten. Ber. 8. 937).