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vom 31. Dez. 1825 ist, dass der genannte $ 10 weiter nichts
bedeutet als: „Bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit kann der
Oberpräsident alle Verwaltungshandlungen vornehmen, die nach
der bestehenden Gesetzgebung den obersten Landesbehörden —
dem Reichskanzler und dem Kaiser — vorbehalten waren.“
IX.
Es bleiben noch verschiedene Argumente zu widerlegen,
welche von den Vertretern abweichender Ansichten zur Begründung
dieser Ansichten geltend gemacht worden sind.
VON STENGEL hat in seiner bereits erwähnten Abhandlung’!
die Ansicht aufgestellt, der Diktaturparagraph sei schon bei Ein-
führung der Reichsverfassung durch Art. 68 dieser Verfassung
beseitigt worden. Dieser Ansicht kann indessen nicht beige-
pflichtet werden, da der Diktaturparagraph in dem nach Ein-
führung der Reichsverfassung erlassenen Reichsgesetz vom
4. Juli 1879 (8 2) sowie in dem Entwurf eines Reichsgesetzes
betreffend den Belagerungszustand in Elsass- Lothringen vom
20. Febr. 1892 (8 18) ausdrücklich als fortbestehend erwähnt ıst.
Leont folgert aus der Thatsache, dass der Diktaturparagraph
in dem Reichsgesetz vom 4. Juli 1879 erwähnt wird, dass „durch
die Bezugnahme in einem Reichsgesetz“ die formale
Schranke des Diktaturparagraphen, welche Ausnahmen von dem
Reichsrecht nicht gestattet, gefallen sei und dass der Statthalter
auf Grund der Diktaturbefugnisse auch Reichsrecht brechen
könne ®?,
Diese Ansicht muss ebenfalls als unrichtig bezeichnet werden.
Es giebt sehr viele Landesgesetze, auf welche in einem Reichs-
gesetze Bezug genommen ist und welche trotz dieser Bezug-
nahme Landesgesetze geblieben sind, z. B. die zahlreichen, in
51 Hırrm’s Annalen, 1878, S. 127 ff.; vgl. auch die Rede des Abgeord-
neten KısL# in der Reichstagssitzung vom 21. Juni 1879 (Sten. Ber. 8. 1741).
#3 Lmwonı: „Verfassungsrecht“, 8. 91.