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Befugniss des Oberpräsidenten, gemäss Art. 9 Ziff. 2 des Gesetzes
vom 9. Aug. 1849 Reichsangehörige auszuweisen, bestehen ge-
blieben; jedoch ist diese Befugniss beschränkt auf die beiden in
Art. 9 Ziff. 2 ausdrücklich genannten Personenklassen, nämlich
auf die „repris de justice* und auf die „individus qui n’ont pas
leur domicile dans les lieux soumis & l’&tat de siege“. Die bisher
auf Grund des Diktaturparagraphen ausgewiesenen Personen ge-
hören keiner dieser beiden Kategorien an. Die fraglichen Aus-
weisungen sind daher vom juristischen Standpunkt aus nicht zu
rechtfertigen.
Art. 9 Ziff. 3 des Gesetzes vom 9. Aug. 1849 giebt die Be-
fugniss: „d’ordonner la remise des armes et munitions et de pro-
ceder & leur recherche et & leur enlövement.“ Auf Grund dieser
Bestimmung in Verbindung mit Art. 9 Ziff. 1 können also jeder
Zeit Haussuchungen zum Zwecke der Auffindung und Beschlag-
nahme von Waffen oder Schiessbedarf vorgenommen werden. In
der Regel nun werden schon die Machtmittel, welche die Vor-
schriften des gemeinen Rechts — 8 127 und $ 360 Ziff. 2 des
Strafgesetzbuchs, sowie 88 102—104 der Strafprozessordnung —
den Polizei- und Gerichtsbehörden gewähren, vollkommen aus-
reichen, um die etwa für nöthig erachteten Haussuchungen zu
ermöglichen. Tritt ein Mal die Nothwendigkeit ein, Haussuch-
ungen in grossem Massstabe ohne Unterschied der Person vor-
zunehmen, so wird jedenfalls auch sofort gemäss Art. 68 der Ver-
fassung der Kriegszustand proklamirt werden. Sicher ist, dass
in den 25 Jahren, seit welchen der Diktaturparagraph existirt,
Art. 9 Ziff. 1 und 3 noch niemals angewendet worden sind. Eine
praktische Bedeutung kann diesen Bestimmungen also nicht bei-
gemessen werden.
Art. 9 Ziff. 4 des Gesetzes vom 9. Aug. 1849 giebt endlich
das Recht: „@interdire les publications et les röunions quelle
juge de nature & exciter ou & entretenir le desordre.“ Diese
Bestimmung, Publikationen zu verbieten, ist nun allerdings von