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Staat bestenfalls unter Aufsicht des Protektors ausübe, meist aber gar nicht
habe. Eine bewaffnete Erhebung des Schutzstaates gegen den Protektor
sei kein Krieg, sondern Rebellion, analog dem Bürgerkriege, so dass dritte
Staaten die Regeln über Nichtintervention in innere Angelegenheiten zu be-
obachten hätten; ganz unrichtig sei die Ansicht von DEspAankT, dass das
Protektionsverhältniss endige, wenn der Unterstaat zum Zwecke seiner Be-
freiung vom Oberstaat zu den Waffen greife. Rebell sei der untergeordnete
Staat auch dann, wenn er mit dem Feinde des Protektors gemeinschaftliche
Sache mache oder gegen dessen Freunde Krieg beginne. Solchenfalls habe
der Protektor, wenn er sich nicht verantwortlich machen wolle, gegen den
Schutzstaat einzuschreiten. Im Kriege müssten vielmehr Protektor und
Schützling stets zusammenstehen. Daraus ergebe sich (gegen HEILBORN) die
Pflicht des Schutzstaates, sich an Kriegen des schützendes Staates zu be-
theiligen, also nicht neutral zu bleiben, es wäre denn, dass er, wie seinerzeit
Krakau, für immer neutralisirt wäre. Umgekehrt habe aber der Protektor
jede gegen den Schutzstaat gerichtete Feindseligkeit so anzusehen, als gelte
sie ihm selber.
Aber auch der inneren Souveränetät gehe der protegirte Staat
theilweise verlustig, insofern Beamte des Oberstaates in der inneren Ver-
waltung des ersteren thätig würden. In gewissen Fällen sei das Gebiet des
Schützlings für den Protektor kein „fremdes Gebiet“. So könne dieser
beispielsweise Unterthanen auch auf dem Gebiet des Unterstaates festnehmen,
ohne des umständlichen Weges der Auslieferung zu bedürfen.
Schliesslich prüft der Verfasser, in welchen Beziehungen sich das Pro-
tektorat von ähnlichen Verhältnissen unterscheide. Er findet den Haupt-
unterschied desselben von der Halbsouveränetät darin, dass letztere eine
vasallitische Stellung bedeute. Die Garantie hebe sich von dem Protek-
torat dadurch scharf ab, dass sie dem garantirten Staate keins seiner Sou-
veränetätsattribute nehme, seine völkerrechtliche Persönlichkeit meist un-
beeinträchtigt lasse. Das ächte Bündniss sei im Gegensatz zum Protek-
torat immer von beiden Theilen freiwillig und auf dem Fusse der Gleichheit
eingegangen, schaffe auch keinen dauernden Zustand der Abhängigkeit, son-
dern werde erst im casus foederis wirksam. (Dagegen seien allerdings durch-
greifende Unterschiede zwischen dem Protektorat und dem foedus ini-
quum nicht vorhanden.) Die Personalunion charakterisire sich gegen-
über dem Protektorat dadurch, dass sie die Souveränetät voll bestehen lasse.
Die Realunion ähnle dem Protektorat mitunter, da die Vertretung nach
aussen zuweilen durch Organe lediglich des einen der unirten Staaten wahr-
genommen werde; aber die innere Souveränetät bleibe auch bei ihr unange-
tastet. Die vertragsmässige Intervention könne oft dem Protektorat
nahe kommen, ja in ein solches übergehen, belasse aber doch prinzipiell
die äussere wie die innere Unabhängigkeit. — Somit sei das Protektorat
eine Staatenverbindung sui generis. Dennoch sei es ganz verschiedener Aus-