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La mer cotiere. Obligations r&eciproques des neutres et des bel-
ligerants dans les eaux cotitres et dans les ports et rades
par Paul Godey, Dr. en droit, sous-commissaire de marine. Paris
1896. 185 p.
Herr J. CABovAT, Universitäts-Professor in Csen, welcher das Werk
des Herrn GopEy mit einer Vorrede versah, äussert sich über dasselbe
auf folgende Weise: „Cette oeuvre n'est pas celle d’un juriste exclusivement
€epris de logique inflexible et de pre&cision rigoureuse, mais plutöt celle d’un
marine habitu& & compter avec les exigences des ‚faits.“ Es wäre unrichtig,
den Sinn dieser Worte auf eine für den Verfasser des Buches ungünstige
Weise zu deuten; im Gegentheil, seine reiche Erfahrung war eine Quelie
und hat eine Grundlage geschaffen für eine interessante Darstellung des so
verwickelten und subtilen Problems der Küstengewässer. Das Buch besteht
aus zwei Theilen: der erste behandelt die rechtliche Natur und die räum-
liche Ausdehnung der Küstengewässer; der zweite ist spezieller und behan-
delt die verschiedenen Rechte und Pflichten, die in dieser Strichgegend,
bald während des Friedens, bald in Zeiten des Krieges, entstehen oder aus-
geübt werden. Im Anhange finden wir ein Muster der Neutralitätserklärung,
welches der Verfasser der Beachtung der politischen Mächte, so wie der
Theoretiker, empfiehlt. Die juristische Analysis der Rechte, welche dem
Uferstaate in Bezug auf die Küstengewässer zustehen, bringt wenig neues,
kann also hier unberücksichtigt bleiben. Der Verfasser steht auf dem Grunde
der modernen Theorien, obgleich, das sei bemerkt, die deutschen Werke,
mit der Ausnahme des Perzıs’schen Handbuches, ihm unbekannt zu sein
scheinen. Er unterscheidet die Küstengewässer (mer cotiere) und die
Eigengewässer (mer territoriale ou nationale) — eine terminologische
Neuerung, die entbehrlich erscheint aus Rücksicht auf die bestehende und
fast allgemein anerkannte Eintheilung „mer territoriale* und „territoire
maritime“ — doch nicht deutlich genug, um die Frage zu beantworten,
warum, in gewissen Fällen, die rechtlichen Zustände in einer dieser Zonen
sich anders gestalten, als in der zweiten; warum in anderen Fällen — z.B.
die Verantwortlichkeit des neutralen Uferstaates in Bezug auf die Seekriegs-
akte, welche von Einem der Kriegführenden begangen sind — in beiden
Zonen identisch ist. Beachtenswerth ist dagegen das ganze Kapitel über
die räumliche Ausdehnung der Küstengewässer. Sachlich ist das Petitum
des Verfassers mit dem zu Paris vom Völkerrechts-Institut angenommenen
gleichbedeutend; er trachtet aber die Sechs-Meilen-Entfernung rationell zu
rechtfertigen, indem er bemerkt, dass eben diese Entfernung der wirklichen
Möglichkeit, die Vertheidigung in Angriff zu nehmen, entspricht. Die de-
fensive Kraft (vom Lande aus) reicht zwar weiter als drei Meilen (s. Ver-
träge) ohne jedoch die Grenze der extremen Kanonenschussweite (Byocher-
shock) zu erreichen. Thatsächlich ist sie durch die Möglichkeit für Kano-
niere das Schussobjekt zu sehen, bestimmt, und dieselbe findet nur dann