Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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Bereits eine flüchtige Prüfung der vorstehenden Bestim- 
mungen ergiebt, dass die englischen und deutschen Anschauungen 
über die Strafbarkeit falscher Eide auffallend weit auseinander- 
gehen. Eine bloss fahrlässige Eidesverletzung ist in England 
überhaupt nicht unter Strafe gestellt, und überall ist Voraus- 
setzung, dass die Erklärung in einer „wesentlichen® Einzelheit 
falsch ist. Es mag sein, dass das deutsche Strafgesetzbuch in 
einzelnen Beziehungen zu weit geht; man hört häufiger, dass man 
sich in deutschen Civilprozessen bloss deshalb vergleicht, um einer 
Eidesleistung zu entgehen; jedenfalls besteht darüber kein Zweifel, 
dass die englische Behandlung der Materie nicht nachahmungs- 
wert ist. Man wird allerdings nicht mehr mit Mr. Pıckwicks 
Anwalt in England ausrufen können „Perjury — it’s a legal 
fiction, my dear sir, nothing more!“; immerhin lässt sich nicht 
leugnen, dass man auch heute noch in England mit Eides- 
leistungen in recht laxer Weise umgeht. Ein englischer Graf- 
schaftsrichter empfahl kürzlich in der Law Quarterly Review, man 
möge in Civilprozessen den Eid abschaffen. Für die Massen habe 
der Eid keine religiöse Bedeutung mehr; ein Grafschaftsgerichts- 
zeuge verschlucke einen Eid ebenso leicht, wie eine Auster; die 
Eidesabnahme werde zu einer verächtlichen Farce. Da das reli- 
giöse Gefühl im Volke abgestorben sei, möge man den sehr regen 
Sportssinn zur Erforschung der Wahrheit ausnutzen und den Eid 
durch eine Schillingwette ersetzen. Es braucht nicht hinzugefügt 
zu werden, dass dieser letztere Vorschlag nicht ernstlich gemeint 
ist; immerhin sollte man im Auslande nicht vergessen, dass man 
in England auf das Kreuzverhör das Hauptgewicht legt, und nicht 
auf den Eid. 
Wie die Strafbarkeit der Eidesverletzung, so ist auch die 
Fähigkeit, eidlich als Zeuge vernommen zu werden, in England 
anders normiert, als im Deutschen Reiche. Das alte englische 
Recht, welches die eidliche Vernehmung einer Partei als Zeuge 
in eigener Sache in Civilsachen, wie in Strafsachen ausschloss, ist
	        
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