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oder des öffentlichen Anklägers eingeleitet werden könne. Auf
den deutschen Leser macht die Evidence in Criminal Cases Bill
auf den ersten Blick einen etwas überraschenden Eindruck. Bei
der Prüfung des Entwurfes wird man im Auge zu behalten haben,
dass der englische Strafprozess eine der Beweisaufnahme vorauf-
gehende, richterliche Vernehmung des Angeklagten nicht kennt,
eine Vernehmung, welche in Deutschland dem Angeklagten Ge-
legenheit giebt, Verdachtsgründe zu beseitigen und zu seinen
Gunsten sprechende Thatsachen vorzubringen. Es ist ferner zu
beachten, dass in deutschen Strafprozessen der Ehegatte der An-
geklagten nicht zeugnisunfähig ist, sondern nur das Recht besitzt,
sein Zeugnis zu verweigern. Auffällig bleibt allerdings die Zu-
lassung des Angeklagten zur „eidlichen* Aussage.
Die bisher besprochenen Gesetzentwürfe werden an Be-
deutung von einer Bill übertroffen, welche sich mit der nicht auf
England beschränkten Frage nach der Schaffung eines Berufungs-
gerichts in Strafsachen beschäftigt. Eine eigentliche Berufung in
Strafsachen giebt es zur Zeit in England nicht; wenn man bereits
heute von Berufungen in Strafsachen spricht, so denkt man dabei
an folgende Möglichkeiten: —
A. Was zunächst die Zeit vor dem Urteil angeht, so kann: —
1. Das Urteil arrestiert werden, nachdem die Geschworenen
den Angeklagten für schuldig befunden haben. Das Gericht selbst
arrestiert das Urteil, falls der Angeklagte einer Handlung schuldig
erachtet wurde, welche rechtlich kein Delikt ist. Es kann indessen
auch der Angeklagte selbst auf Arrestierung des Urteils antragen.
Dieser Antrag ist jedoch auf einen Mangel zu gründen, welcher
aus den Gerichtsakten selbst hervorgeht; es genügt nicht die Be-
hauptung, dass eine Unregelmässigkeit im Verfahren vorgekommen
ist, noch die Behauptung, dass die Beweise nicht ausreichen.
Der Mangel muss ferner ein substantieller sein, welcher nicht
während der Hauptverhandlung gehoben und nicht durch den
Spruch der Geschworenen geheilt ist. Mit der Arrestierung des