Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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bewusst sein. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass mit dem 
Entwurfe ein solcher Angeklagter alle Chancen verliert, welche 
er unter dem heutigen System besitzt. In Abweichung von den 
früheren Entwürfen will die Vorlage das Kreuzverhör nicht ein- 
schränken. Der das Kreuzverhör leitende Advokat wird alle ver- 
dächtigen Umstände paradieren lassen. Es kann sein, dass eine 
Vorstrafe der eigentliche Grund der Verhaftung ist. Falls das 
Kreuzverhör sich auf die Vorstrafen erstrecken darf, ist eine un- 
parteiische Aburteilung ausgeschlossen. Die Wirkung der Aus- 
sagen des Angeklagten ist weniger durch seine Schuld oder Un- 
schuld bedingt, als durch seine Fähigkeit, geschickt auszusagen; 
ein ungebildeter Mann, der sich nicht auszudrücken versteht, wird 
sich grossen Schaden zufügen. Man vergegenwärtige sich die 
Situation eines Angeklagten, welcher von der Anklagebank zur 
Zeugenvernehmungsstätte schreitet, wissend, dass es von seiner 
Aussage abhängt, ob er zum Tode verurteilt werden wird. Ein 
gewöhnlicher Mann wird schwerlich sich zu beherrschen vermögen. 
Der Regierungsvertreter hat allerdings erklärt, der Richter werde 
dafür Sorge tragen, dass das Kreuzverhör in seinen Grenzen 
bleibe. Das Kreuzverhör hängt indessen nicht vom Richter ab, 
sondern bestimmt sich nach festen Regeln und Grundsätzen; wenn 
der Entwurf überhaupt ein Kreuzverhör gestatten will, muss es 
das gewöhnliche sein. Während man bisher darüber einig war, 
dass eine Massregel der vorliegenden Art nur in Verbindung mit 
weitgehenden Garantien hinsichtlich des Kreuzverhörs möglich 
sei, will man jetzt ein unbeschränktes Kreuzverhör hinsichtlich 
aller Antezedentien gestatten, welche bei den Geschworenen Vor- 
urteile erwecken können. Der Richter wird ohne Zweifel eine 
scharfe Zurechtweisung erteilen, falls ein Advokat beim Kreuz- 
verhör die Vorstrafen berühren sollte. Immerhin wird die Ver- 
suchung nahe gelegt, trotz schwacher Beweise auf die Hauptver- 
handlung einzutreten, in der Hoffnung, dass die Antezedentien 
die Lücke ausfüllen werden. Das einzige Resultat wird sein, dass
	        
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