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erkannte Vertragsfreiheit empfindlich einschränken, ohne dessen
ausdrücklich Erwähnung zu thun. Es lassen sich also irgend
welche, noch so weitgehende Einschränkungen der Vertragsfrei-
heit aus 8 105 nicht widerlegen, wenn sie sich nur sonst aus dem
Gesetze folgern lassen. Dass aber in der T'hat aus allgemeinen,
öffentlich rechtlichen Erwägungen die Vertragsfreiheit bei der Be-
gründung der Arbeitsverhältnisse in grösseren Fabrikbetrieben
wesentlich eingeschränkt werden sollte, darüber lässt das Gesetz
keinen Zweifel. Wir weisen nur darauf hin, dass ein bestimmter
Inhalt der Arbeitsordnung nicht durch Einzelverträge, sondern
nur durch ein besonderes Verfahren abgeändert werden darf, dass
also mindestens für eine gewisse Zeit auch der Arbeitgeber durch
die Arbeitsordnung in seiner Willensfreiheit durchaus beschränkt
ist: „Der Inhalt der Arbeitsordnung ist für die Arbeitgeber und
Arbeiter rechtsverbindlich* (8 134°). Die Bedeutung dieser Be-
stimmung wird in den Motiven noch stärker hervorgehoben. Denn
wenn es dort heisst, dass jeder Arbeiter, der in die Beschäftigung
eintreten will, sich den Bedingungen der Arbeitsordnung unter-
werfen müsse, so ist damit klar ausgedrückt, dass Fabrikherr
und Arbeiter gegenüber dem der Vereinbarung entzogenen In-
halt der Arbeitsordnung nur die Freiheit haben, das Arbeitsver-
verhältniss entweder unter diesen Bedingungen oder überhaupt
nicht zu wollen. Für den Arbeiter sind dadurch irgend welche
Härten, die nicht schon in den thatsächlichen Verhältnissen be-
gründet wären, nicht geschaffen worden. Denn die Vertragsfrei-
heit hat für den einzelnen Arbeiter den grossen Betrieben gegen-
über doch nur einen theoretischen Werth; wirklichen Werth ge-
winnt sie für ihn erst dann, wenn er sich mit Andern zur Er-
reichung günstiger Arbeitsbedingungen vereinigt. Während nun
der Gesetzgeber diese Möglichkeit, der Vertragsfreiheit Bedeutung
zu geben, durch $ 152 der Gewerbeordnung ausdrücklich sicher-
stellte, konnte er für den einzelnen Arbeiter an Stelle der Ver-
tragsfreiheit unbedenklich den Zwangsvertrag setzen, wenn er da-