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Tendenz hätten, für die Praxis gegen die Theorie und für die Autorität des
Staatsgedankens (Souveräns) gegen -die Befugnisse des Parlaments einzutreten.
Auch wir billigen die Auffassung Arnpts — vergl. unsere Besprechung von
SEYDELS Kommentar, Archiv für öffentl. Recht, XII S. 286 —, dass die
deutsche Staatsrechtswissenschaft trotz ihrer Fortschritte sich noch nicht
ganz von der Gefahr befreit hat, „ruhig ihre Kreise zu ziehen, ohne Rück-
sicht darauf, dass das wirkliche Leben ihrer spottet“. Nichtsdestoweniger
können wir mit ARNDT nicht übereinstimmen, wenn er der Wissenschaft
allgemein das Recht bestreitet, Anordnungen der Reichsgewalt — trotz ihrer
unangefochtenen Wirksamkeit — als ungiltig zu erklären. Vielleicht ist der
Widerspruch gegen die konstruktive Methode nicht so prinzipiell gemeint;
denn es kann ARNDT nicht entgehen, dass die Wissenschaft schon manche
Regierung von der Unhaltbarkeit ihrer staatsrechtlichen Auffassung über-
zeugt oder manchmal erfolgreich in dem politischen Kampfe um konstitutio-
nelle Rechte des Parlaments mitgewirkt hat. — Seine im Vorworte IV
Ziff. 1 ausgesprochene Ansicht, dass die Landesherren überhaupt die Befugnis
zum Erlasse von Rechtsverordnungen — soweit nicht Verfassung oder Ge-
setze entgegenstehen — haben, ist wohl für Preussen, nicht aber für Bayern
richtig; es kann also hieraus keine Präsumtion für das Reichsrecht abgeleitet
werden. —
ArnpT stellt in der Einleitung fest, dass die Verfassung des nord-
deutschen Bundes durch Landesgesetze in den einzelnen Staaten verbindliche
Landesnorm geworden sei, nicht durch völkerrechtliche Verträge, wiederlegt
insbesondere die Hänetsche Meinung, dass die Bundesverfassung einen für
das Landesrecht jedes einzelnen Staates unmöglichen Inhalt habe, und nennt
die Zornsche Lehre, wonach diese Verfassung staatsrechtlich als Gesetz
oktroyiert sei, unzutreffend und für die Schöpfer derselben kaum verständlich.
Andrerseits behauptet er gegen SEYDEL, obwohl er die einzelnen Bundes-
staaten für souverän hält, dass durch die Abschliessung der Bundesverträge
ein neuer Staatsorganismus mit eigenem, von dem des Schöpfers unabhängigen,
Willen und eigener Handlungsfähigkeit geschaffen worden sei. Zu der viel-
umstrittenen Frage, ob das Reich souverän, ob es ein Staatenbund oder
Bundesstaat sei, nimmt ArnDT keine eigene Stellung ein, da er dieser Kon-
troverse keine praktische Bedeutung zuschreibt, nur die Hänetsche Annahme
(Staatsrecht IS. 578) bezeichnet er als unverständlich. Dass die sog. Kom-
petenz-Kompetenz zur Begründung der Reichssouveränität nicht herangezogen
werden kann, wie z. B. ZORN meint, hebt Arnpr mit schlagenden Gründen
hervor. Auffallend ist, dass ARNDT, der soviel auf die Thatsachen und die
Ansichten der Schöpfer der Verfassung hält, an der Erklärung des Bundes-
rates vom 5. April 1884 ebenso achtlos vorübergeht, wie andere Staatsrechts-
lehrer, denen sie nicht für ihre Theorien passt. Gerade Arnpr hätte von
dieser Erklärung der verbündeten Regierungen aus das Wesen „des neuen
Steatsorganismus“, welchen das Reich nach seiner Meinung darstellt, in