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jede durch Rechtsnorm statuierte Ausnahme von der durch eine
allgemeinere Rechtsnorm statuierten Regel.
b) Die Einwirkung der neuen lex generalis auf die alte, von
der die „lex specialis“ eine Durchbrechung bildete, kann nun
eine dreifache sein. Endweder jene schafft einfach das alte
Prinzip ab, ohne ein neues an seine Stelle zu setzen — hier
bedarf man unserer Parömie überhaupt nicht, da, um mit WınD-
SCHEID zu reden, die bisherigen Ausnahmen nun selbst zur Regel
werden. Anders, wenn sie ein neues, dem alten entgegengesetztes
oder doch von ihm verschiedenes Prinzip aufstellt: dann greift
der Satz ın Wahrheit Platz, freilich mit den oben bereits fest-
gestellten Schranken. Würde also z. B. die neue Regel eine
solche sein, die ihrem Begriffe oder ihrem legislativen Zwecke
entsprechend Ausnahmen von der bestehenden Art nicht zulassen
kann, so müssen diese natürlich fallen. Dasselbe gilt, wenn das
bisherige Ausnahmerecht durch seine Beibehaltung gegenüber
dem neuen Prinzip sich in entgegengesetzter Richtung verhalten
würde, wie gegenüber dem alten: enthält jenes die bisherigen
Ausnahmen selbst in potenzierter Art, so bleibt für deren
schwächere Wirkung naturgemäss kein Raum mehr.
So würde z. B. eine allgemeine Aufhebung des Getreide-
zolles auch den Ländern gegenüber wirken, die bisher etwa im
Wege von Handelsverträgen oder der Meistbegünstigungsklausel
günstigere Bedingungen gegenüber den allgemeinen Sätzen ge-
nossen, und eine Herabsetzung des Volljährigkeitsalters würde
auch die bisherigen Begünstigungen treffen, die dem herab-
gesetzten, neuen Termine gegenüber eine Erschwerung bedeuten
würden (dies Beispiel aus HÖLDER a. a. O.).
Die dritte Möglichkeit ist endlich die, dass das neue Ge-
setz das alte Prinzip ohne jedwede Aenderung einfach wiederholt.
Das wird natürlich nicht oft bei neuen Einzelgesetzen, desto
häufiger dagegen bei Kodifikationen vorkommen, und ist daher
gerade angesichts des Bürgerlichen Gesetzbuches ein un-