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dem modernen Staatsrechte ergeben. Aber auch die Zurück-
führung der verbindlichen Kraft des Gewohnheitsrechtes auf eine
allgemeine Einwilligung oder richtiger ein allgemeines Gebot des
Gesetzgebers ist nicht zutreffend. Denn dann müsste eine solche
in der Rechtsgeschichte der einzelnen Völker nachgewiesen werden,
bevor man für das betreffende Land Gewohnheitsrechte anerkennen
könnte. Und dieser Beweis ist wohl in den seltensten Fällen zu
erbringen, wie sich gerade aus dem nach dieser Richtung hin von
E. MEIER (Die Rechtsbildung in Staat und Kirche) unternom-
menen Versuche ergibt. Die von GLück angeführten Reichs-
gesetze liessen sich allerdings, mit Ausnahme des Westphälischen
Friedens, nach dieser Richtung hin verwerthen, aber aus ihnen würde
immer nur die Geltung von (sewohnheiten für das betreffende
Rechtsgebiet (Strafrecht, Prozess u. s. w.) abgeleitet werden
können, sie enthalten aber nicht die ganz allgemeine Norm, dass
das Gewohnheitsrecht verbindliche Kraft haben solle. Eine noth-
wendige Folgerung aus dieser Auffassung wäre auch, dass wir
für neu entstandene Staaten, wie das Deutsche Reich, dessen Ge-
setzgebung wir noch genau zu verfolgen im Stande sind, die
Möglichkeit der Bildung verbindlicher Gewohnheiten, soweit nicht
ein sie zulassendes Gesetz nachweisbar ist, leugnen müssten. Es
kann hierbei, was wohl zu beachten ist, auch nicht genügen, wenn
dargelegt wird, dass der Gesetzgeber die Bildung von Gewohn-
heitsrechten zulässt, sondern es müssen auch im Einzelnen die
Erfordernisse sich angeben lassen, die er für ihre Verbindlichkeit
aufstellt. Denn nicht jede thatsächliche Uebung hat ohne Weiteres
eine derartige Bedeutung, wie z. B. daraus erhellt, dass die an-
geführten Reichsgesetze nur von löblichen, redlichen, ehrbaren
Gebräuchen reden. Die Sache liegt hier eben ganz anders, als
wenn die Anwendung ausländischen Rechtes im Inlande zugelassen
wird. Dabei brauchen nur die Grenzen bestimmt zu werden,
innerhalb deren dies geschehen soll; welche Normen dagegen als
geltendes ausländisches Recht zu behandeln sind, entscheidet sich