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Ebensowenig aber kann als das Wesentliche die Existenz gewisser
Normen, auf denen die Befugniss des Gesetzgebers beruht, er-
achtet werden, da weder deren Entstehungsgrund (aus einem ge-
meinsamen Willen oder einer gemeinsamen Ueberzeugung), noch
ihre spezielle Wirksamkeitsform (Erzwingbarkeit), noch ihr eigen-
thümlicher ethischer Gehalt (Uebereinstimmung des positiven
Rechts mit dem Sittengesetz) die ihnen beigelegte Bedeutung zu
rechtfertigen vermag. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ohne
alles Recht keine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Leebenskreise,
überhaupt kein wahres menschliches Zusammenleben (im Gegen-
satze zu einem zusammenhanglosen Nebeneinanderbestehen) denk-
bar ist. Den Grund jeder Lebensgemeinschaft bildet desshalb
eine anerkannte Norm, und in der Fortdauer der Anerkennung
beruht auch die Fortdauer der Gemeinschaft. Gleichgültig ist
dabei, ob die Anerkennung freiwillig oder unfreiwillig erfolgt, ob
sie eine gegenseitige, von zwei Parteien ausgehende oder eine
einseitige ist, ob sie auf einem bewussten Wollen beruht oder
sich unwillkürlich vollzieht. Nur fordert sie ein dauerndes, ha-
bituelles Verhalten und ist nicht in vorübergehenden Akten ent-
halten. Dabei ist zu beachten, dass die Normen nicht alle gleich-
werthig sind, sondern vielfach im Verhältnisse der Subordination
oder Subsumtion zu einander stehen, d. h. dass gewisse Normen
ibrer gesammten Leistung oder Geltung nach von einer allge-
meineren Norm abhängen oder, obgleich sie ihre eigene Grund-
lage behalten, doch in dieser mit enthalten erscheinen. Erforder-
lich ist immer nur die Anerkennung der Norm höherer Ordnung,
insbesondere derjenigen, dass Anordnungen gewisser Personen im
Staate die Volksgenossen binden sollen. Ausgehen muss die An-
erkennung von allen Angehörigen des Liebenskreises. Solange
die vollständige Nichtanerkennung dauert, solange ist der Be-
treffende sowenig wirklich Mitglied und sowenig an die Vereins-
normen rechtlich gebunden, wie ein Todter.
Die Ansichten BIERLINg’s enthalten gewiss sehr viel Zu-