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so erzeugt sich der Gedanke, dass die Machtstellung dieser Per-
son eine Rechtsstellung sei, dass also jener allgemeine Rechtssatz
gelte. Und indem ein Rechtssatz thatsächlich befolgt ist und
die Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass er auch weiterhin befolgt
werden werde (weil eben nach psychologischer Erfahrung die
Thatsache, dass bisher schon in gleichen Fällen ebenso gehandelt
ist, eine stärkste Motivationsquelle zu weiterer Uebung bildet),
so verwandelt sich der Begriff des Thatsächlichen in den des
Rechtlichen, d.h. wir nehmen auch hier an, dass der betreffende
Rechtssatz gelte, und erhalten so den Begriff des Gewohnheits-
rechtes. Die ewige Rechtfertigung der Geltung des Gewohnheits-
rechtes — sagt ZITELMANN 8. 459 — liegt in jener eigenthüm-
lichen psychologischen Erscheinung, dass ein normal denkender
Mensch die Vorstellung, dass eine rechtliche Ordnung gelte, dann
erzeugt, wenn er das längere thatsächliche Herrschen dieses
Satzes beobachtet und erwartet, dass dieses thatsächliche Herr-
schen auch noch länger andauern werde.
Dieser letzte Satz scheint mir in den übrigen Gedankengang
ZITELMANN’s nicht recht zu passen. Denn unter der ewigen
Rechtfertigung der Geltung des Gewohnheitsrechtes kann man
doch wohl nichts Anderes verstehen als den Grund, wesshalb
Gewohnheiten verbindlich sind, also den Grund, wesshalb beim
Vorliegen der Hypothese, dass ein Satz längere Zeit thatsächlich
herrscht und vermuthlich auch noch länger herrschen wird, auch
die These vorliegt, dass eine Verpflichtung zu seiner Befolgung
besteht. ZITELMANN selbst aber hatte vorher behauptet, dass
bei Zurückführung der Geltung eines Satzes auf ihre Ursache
kein Ende erreicht werde, bis man bei einem letzten Absoluten,
welches causa sui sei, anlange, Dass diese Auffassung durchaus
richtig ist, zeigt sich auch hier, da die Vorstellung von der Gel-
tung eines Rechtssatzes kein Beweis für seine wirkliche Geltung,
seine verbindliche Kraft ist. Das Gegentheil müsste nur dann zu-
gegeben werden, wenn jeder Thatbestand bei einem vernünftigen