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Grunde liegen muss, und welchen Einfluss der Irrthum ausübt.
Und wenn man auch theoretische Zweifel unberücksichtigt lassen
will: vor hundert Jahren hätten auch die Gerichte diese Fragen
ganz anders beantwortet, als heute. RüÜMELIN denkt auch wohl
mehr daran, dass man aus der Entstehungsgeschichte jetzt un-
bestritten geltender (rewohnheiten die erforderlichen Voraus-
setzungen ableiten solle. Aber über eine solche Entwickelung
sprechen keine gleichzeitigen Zeugnisse, wir wissen daher wohl,
dass der Rechtssatz gilt, vermögen jedoch nicht mehr durch
Beobachtung festzustellen, wie er zu seiner Herrschaft gelangt
ist.. Die Thatsache, dass er.in der Rechtsprechung gebilligt und
als durch Gewohnheitsrecht zur Geltung gebracht angesehen ist,
und dass die Literatur hiermit übereinstimmt, lässt uns höchstens
die Aeusserlichkeiten des Vorganges erkennen, gibt jedoch über
die eigentlich wirksamen Ursachen keine Aufklärung.
Il.
Die Schriftsteller. des vorigen Jahrhunderts suchten, wie wir
gesehen haben, eine Antwort auf die Frage nach der gesetzlichen
Kraft der Gewohnheit und leiteten sie aus einem Konsens des
(sesetzgebers ab. Dass die Willensäusserungen des letzteren auf
(rehorsam Anspruch hätten, galt ihnen als so selbstverständlich,
dass sie nach einem Grunde hierfür nicht forschten. Demgegen-
über enthalten die neueren Untersuchungen einen Fortschritt,
indem sie sich mit der Geltung der Rechtssätze ganz im All-
gemeinen beschäftigen. Diese Betrachtungsweise hat zu der
Erkenntnis geführt, dass die Ableitung der Geltung des Gewohn-
heitsrechts aus der Einwilligung oder dem Befehl des Gesetz-
gebers unzureichend ist, weil die Befugniss, bindende Normen zu
‚erlassen, selbst wieder auf einem Satze beruhen muss, dessen
Geltung in gleicher Weise der Rechtfertigung bedarf!?. Ferner
' 12 Grundsätzlich ist auch RtmeLm hiermit einverstanden (a. a. O. S. 164),
die Genehmigung des Staates ist für ihn nur desshalb von Bedeutung, weil