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lässt die Lehre der historischen Schule über die Entstehung des
Rechts zwischen Gesetzen und Gewohnheiten nur einen äusser-
lichen Unterschied bestehen, da alles Recht Erzeugniss des Volks-
geistes sein soll, der nur in dem einen Falle den Gesetzgeber als
Mittel für seine Aeusserungen verwendet und im anderen sich
unmittelbar in Handlungen der Volksgenossen kundgibt. BiER-
LING dagegen hat die früher nicht genügend beachtete Gliederung
der Rechtssätze in solche höherer und niederer Ordnung gebührend
hervorgehoben und damit die Möglichkeit geschaffen, das Ver-
hältniss von Gesetz und Gewohnheit unter einem anderen Ge-
sichtspunkte als bisher zu betrachten und zu erforschen, ob nicht,
anstatt einen die allgemeine Genehmigung der Gewohnheit ent-
haltenden Rechtssatz mit den einzelnen Gesetzen auf eine Stufe
zu stellen, umgekehrt ein den Gesetzgeber bevollmächtigender
Grundsatz mit den einzelnen Gewohnheiten in Vergleich zu bringen
ist, überhaupt ob bei beiden der Zusammenhang mit dem letzten
erkennbaren Grunde der Verbindlichkeit aller Rechtssätze von
gleicher Beschaffenheit oder verschiedenartig ist. Und noch ein
Weiteres tritt uns bei dieser Ueberschau entgegen. Die Schrift-
steller des vorigen Jahrhunderts, desgleichen auch RÜMELIN,
suchen die Frage zu beantworten, wesshalb die aus den Hand-
lungen bestimmter Personen abzuleitende Norm auch von allen
übrigen befolgt werden muss. Die historische Schule dagegen
beschäftigt sich mit dem Ursprunge des Inhaltes der Rechtssätze.
BIERLING und ZITELMANN endlich legen das Hauptgewicht auf
die Feststellung, wann ein Rechtssatz als geltend angesehen werden
kann, d. h. wann er die Lebensverhältnisse thatsächlich beherrscht,
und worin diese seine Macht begründet ist. Ein gewisser Zu-
sammenhang dieser Fragen unter einander lässt sich freilich nicht
in Abrede nehmen. Geht die Rechtsbildung aus der Ueberzeugung
er dessen Bestehen als werthvoll annimmt; er meint jedoch, die objektive
Wirklichkeit dieser Voraussetzung nicht erst beweisen zu brauchen (S, 191
und 252).