Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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aufeiner einseitigen Betonung eines Elementes der Rechtsbildung. 
Eine wirklich erschöpfende Darlegung aller bei der Rechtsbildung 
wirksamen Kräfte ist meines Erachtens so wenig möglich, wie 
eine vollständige Aufdeckung des Zusammenhanges der politischen 
Ereignisse durch die Geschichtsforschung. Noch weniger ver- 
mögen wir festzustellen, welche einzelnen Gründe in einem einzelnen 
Falle, und in welchem Umfange sie einen Einfluss ausgeübt haben. 
Wir müssen uns stets begnügen, die wichtigsten Bedingungen 
dessen, was geschehen ist, hervorzuheben, und erhalten so nur 
ein annähernd richtiges Bild der Wirklichkeit. So interessant 
und wichtig daher auch rechtsgeschichtliche Forschungen im 
Einzelnen, d. h. die Aufhellung der Entwickelung der einzelnen 
Rechtsnormen und Rechtsinstitute, sind, so unbefriedigend muss 
nothwendig die Untersuchung der Ursachen der Entstehung des 
Rechts im Ganzen bleiben. 
Bezeichnen wir die Thatsachen, die den Ursprung des In- 
haltes der BRechtssätze bilden, als Rechtsquelle im materiellen 
Sinne, so stehen ihnen die Gründe für die Geltung des Rechts 
als Rechtsquelle im formellen Sinne gegenüber. Der Ausspruch, 
dass ein Rechtssatz „gelte“, kann aber, wie schon angedeutet, 
eine doppelte Bedeutung haben. 
Zunächst kann mit ihm gesagt sein, dass ein gewisser Zu- 
stand besteht, nämlich der, dass der Rechtssatz regelmässig be- 
folgt wird, dass die Handlungen der Menschen, von Abweichungen 
Einzelner abgesehen, sich der Vorschrift der Rechtsordnung an- 
wohnheitsrecht zu Tage treten. Niemand kann unter dem Vorwande, dass 
er der allgemeinen Anschauung sich nicht anzuschliessen vermöge, der An- 
erkennung der gewohnheitsrechtlichen Normen sich entziehen, denn er würde 
hierdurch die Wirksamkeit des Volksgeistes in sich und damit auch seine 
Zugehörigkeit zum Volke leugnen; diese aber ist eine Thatsache und von 
seinem eigenen Belieben unabhängig. — Bei dieser Auffassung wird aber der 
Einfluss des allen Volksgenossen Gemeinsamen überschätzt. Dass innerhalb 
des Volkes verschiedene geistige Strömungen bestehen, die auch in Bezug 
auf die Rechtsüberzeugung zu abweichenden Ergebnissen führen, ist eine 
Thatsache, die im politischen Leben nur zu häufig hervortritt.
	        
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