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Volkswillen hervorgegangen sind, haben sie verpflichtende Kraft,
sondern weil sie thatsächlich schon in weitem Umfange Gehorsam
gefunden haben und auch in Zukunft finden werden und wegen
der Macht der sie Anerkennenden geeignet sind, eine allgemeine
Herrschaft auszuüben und so ein geordnetes Zusammenleben der
Menschen zu fördern. Auch nicht ihre innere Vernünftigkeit ist
massgebend, ein solcher gewohnheitsmässiger Satz kann vielmehr
ein Werk des Zufalls, vielleicht sogar recht unverständig sein.
Sein innerer Werth oder Unwerth kommt nur negativ in Be-
tracht; wo die eigene sittliche Ueberzeugung den Gehorsam
geradezu unmöglich macht, mag der Einzelne sich verpflichtet
fühlen, ihm entgegen zu handeln. Im Uebrigen kann man den
einzelnen Rechtssatz für durchaus unverständig und unzweck-
mässig halten und ist doch verbunden, ihn zu befolgen, weil er
einmal der zur Zeit herrschenden Auffassung entspricht. Die
längere thatsächliche Uebung verleiht ihm Werth, sie muss nur
eine so häufige und langandauernde gewesen sein, dass der Schluss
berechtigt erscheint, der in ihr zu Tage tretende Rechtsgedanke
werde von einer genügenden Anzahl von Angehörigen des Kreises
anerkannt, um seine, im Nothfalle zwangsweise aufrecht zu er-
haltende, Herrschaft durchzuführen. Selbstverständlich gilt das-
selbe, wenn er wirklich von allen Mitgliedern des Rechtskreises
gebilligt wird, es genügt aber auch schon die Zustimmung der
überwiegenden Mehrheit, was für den Beweis von Bedeutung ist.
Dieses äusserliche Merkmal verleiht dem Rechtsgedanken
die Bedeutung eines Rechtssatzes.. Er macht jetzt auf Gehorsam
Anspruch, einfach weil er sich in thatsächlicher Geltung befindet.
Es ist zwar richtig, dass die letzte Ursache seiner verbindlichen
Kraft in der Macht der Vernunft über die Menschen liegt, aber
auf sie brauchen wir jetzt nicht mehr in jedem einzelnen Falle
zurückzugehen. Und die weitere Voraussetzung, dass der Han-
delnde den Glauben an die Vernünftigkeit des von ihm angewen-
deten Grundsatzes haben müsse, fällt nunmehr hinweg.