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sprechende Entschliessung der erwerbenden Staatsgewalt nicht
erfolgt. Rechtssätze können allerdings auch aus schlüssigen Hand-
lungen des (Gesetzgebers gefolgert werden. Allein wie bei den
konkludenten Akten der Einzelnen ein rechtsgeschäftlicher Wille
wirklich vorhanden ist, so muss man auch hier fordern, dass der
Gesetzgeber den Willen und das Bewusstsein davon hat, einen
Rechtssatz zu schaffen. Das trifft aber in unserem Falle ganz
sicher nicht zu, vielmehr geht die Staatsgewalt von der auch sonst
ganz allgemein verbreiteten Ansicht aus, dass die frühere Rechts-
ordnung ohne Weiteres in Geltung bleibe. Dagegen erklärt sich
diese Erscheinung aus der Auffassung des objektiven Rechts als
einer in einem bestimmten Gebiete zur thatsächlichen Herrschaft
gelangten Ordnung ganz ungezwungen.
u.
Dass ein Gesetz — und auch die Verfassung ist ja ein
solches — Bedingungen für den Erlass der Gesetze aufstellen
kann und auch thatsächlich oft genug aufstellt, lehrt die Er-
fahrung. Ebenso ist es aber auch häufig vorgekommen, dass
diese Bedingungen auf dem Wege der Gewohnheit festgesetzt
wurden. Fasst man nun die Grundsätze über die Bildung des
Gewohnheitsrechts als einen Rechtssatz höherer Ordnung gegen-
über den einzelnen Gewohnheiten auf, so liegt es nahe anzunehmen,
dass auch er durch Gewohnheitsrecht oder Gesetz geschaffen werden
könne. Dies ist nun freilich bestritten, namentlich hat WENDT (in
den Jahrbüchern für Dogmatik Bd. XXILS. 299ff., insbesondere
S. 326) sich dahin ausgesprochen, dass es überhaupt keine positiven.
Rechtssätze darüber gebe, woher das Gewohnheitsrecht die Macht
seiner Geltung entlehne, was auch für die sogenannten Erfordernisse
im Einzelnen gelte, und EisELE (im Archiv für civilistische Praxis
Bd. LXIX S. 275#.) hat behauptet, dass ein Ausspruch des Ge-
setzgebers über das Verhältniss der beiden Rechtsquellen zu ein-
ander gar kein Rechtssatz sei, weil sich dieses Verhältniss aus-