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dern der Rechtssatz. Das Urteil stellt nur das Vorhandensein
der vom Rechtssatz für die Unrechtsfolge aufgestellten Be-
dingungen im konkreten Falle fest.
Und der Verwaltungsakt? Er sollte eine Kraft haben, die
nicht einmal das Urteil hat, wo doch dieses die äußerste
Grenze ist, zu der er sich über das Niveau des Rechtsgeschäftes
zu erheben vermag? Die vollziehende Gewalt sollte — ohne
vom Gesetz dazu ermächtigt zu sein — dem Untertanen gegen-
über im Einzelfalle bestimmen können, was Rechtens ist?
Was von Rechts wegen sein soll, bestimmt der Rechtssatz. Wenn
die öffentliche Gewalt in der Exekutive dies kann, ohne dabei
eine Rechtsnorm anzuwenden, so muß sie selbst die Rechts-
norm für den Einzelfall sein, ihre Rechtssatzungskompetenz
konkurriert mit der der Legislative, kann aber in Wahrheit nur
von dieser abgeleitet sein. Sie braucht also eine Ermächtigung
dazu. Wenn die Exekutive — nach herrschender Ansicht —
zur generellen Rechtssetzung einer formalge-
setzlichen Delegation bedarf, dann muß
dasselbe von einer individuellen Rechts-
setzung gelten. Und solche liegt vor, wenn
die Exekutive im konkreten Falle Pflicht
oder Recht statuiert, und nicht wie das
Urteildurch Rechtssatzstatuierte Pflich-
ten oder Rechte feststellt. Liegt aber gesetzliche
Delegation — wenn auch noch so allgemeiner Natur, liegt somit
ein wenn auch noch so allgemeiner Blankettrechtssatz vor,
etwa die Norm, daß Untertanen bei Nichtbeachtung einer obrig-
keitlichen Verfügung zu strafen sind, dann ist es nicht mehr
der Verwaltungsakt, der — selbst eine Rechtsnorm — die Ge-
horsamspflicht der Untertanen statuiert, sondern der in Form
des Gesetzes ergangene Blankettrechtssatz ; und der Verwaltungs-
akt bleibt so wie das Rechtsgeschäft und das Urteil nur eine
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXI. 2/3. 14