Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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gesetzbuch in dem Absatz 1 seines $ 2°°, der bestimmt: „Eine 
Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn 
diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung be- 
gangen wurde.“ Hieraus erhellt aber mit Sicherheit nur, dass 
die Aufstellung neuer Strafsatzungen nicht auf dem Wege des 
Gewohnheitsrechts geschehen darf, und dass ebensowenig sich 
neue Strafschärfungsgründe oder Normen, die eine nach dem 
Strafgesetzbuch unzulässige Bestrafung ermöglichen würden (z. B. 
es würde die Beihülfe in der Rechtsprechung andauernd der Mit- 
thäterschaft in Bezug auf das Strafmass gleichgestellt), durch 
Uebung in rechtsverbindlicher Weise ausbilden dürfen, endlich 
auch durch sie Strafausschliessungsgründe oder Bedingungen der 
Strafbarkeit nicht ausser Geltung gesetzt werden können. Zweifel 
bestehen dagegen nach der Richtung, ob auch neue Strafaus- 
schliessungsgründe oder neue Bedingungen der Strafbarkeit durch 
die Vorschrift des $ 2 mitbetroffen werden, und ob ein dero- 
gatorisches Gewohnheitsrecht dem Strafgesetzbuch gegenüber zu 
beachten ist. Die für die verneinende Ansicht manchmal ange- 
führte Begründung ?®, jedes Strafgesetz lege dem Richter die 
Verpflichtung auf, die angedrohte Strafe auszusprechen, und hier- 
von könne er auch durch eine entgegengesetzte Uebung nicht 
entbunden werden, enthält eine petitio principi. Durch ein neues 
Gesetz kann diese Pflicht ja zweifellos beseitigt werden; steht 
aber im Allgemeinen das Gewohnheitsrecht in Bezug auf dero- 
25 Wbenso das Preuss. Landrecht, Einleitung 88 3, 4, Oesterr. G.-B. $ 10, 
Sächs. G.-B. $ 28, Bad. L.-R. 86 Das im Allg. deutschen H.-G.-B. Art. 1 
enthaltene Verbot ist in das neue Handelsgesetzbuch nicht wieder aufgenommen. 
— Obc.2 quae sit longa cons. 8, 5 schon für das Justinianische Recht nur 
die Wirkung gehabt hat, dass das Gewohnheitsrecht stark eingeschränkt 
wurde, wie ZorL in den Jahrbüchern für Dogmatik Bd. XIII S. 416ff. an- 
nimmt, kann dahingestellt bleiben, da diese Stelle entweder durch fr. 32 
S 1 de legibus 1, 3 aufgehoben wird (so vielfach die Theorie) oder ihre 
Geltung durch das kanonische Recht beseitigt ist (so Entsch. d. Reichsgerichts 
in Civilsachen Bd. V 8. 134/5, vgl. auch Bd. XXXVI S. 179). 
2° Sturm, Recht und Rechtsquellen S. 135.
	        
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