— 218 —
einen grösseren Bezirk angenommen, so müssen auch Fälle der
Uebung aus allen seinen einzelnen selbständigen Theilen nach-
gewiesen werden. Was einzelne selbständige Theile sind, lässt sich
nur nach den besonderen Verhältnissen des Falles beurtheilen.
Eine Stadt z. B. kann sehr wohl ein in sich abgeschlossenes
(tanze bilden, aber auch unter Umständen untrennbar zu der
umgebenden Landschaft gehören, wie umgekehrt, wenn in ihren
verschiedenen Theilen verschiedenes Recht gilt, diese Theile, ob-
wohl sie politisch völlig unselbständig sind, in der hier in Be-
tracht kommenden Beziehung als gesonderte Gebiete behandelt
werden müssen. BınpınG hat gelegentlich (Handbuch des Straf-
rechts I S. 197 Anm. 1) die Ansicht ausgesprochen, bei einer
Gesammtrevision der Lehre von der Rechtsbildung sei die eine
der beiden vor Allem zu beantwortenden Fragen die: in welchen
Kreisen sich Recht bilden könne, welche Lebenskreise Rechts-
quellen seien. Mir ist zweifelhaft, ob dieser Punkt wirklich von
so grosser Wichtigkeit ist, und es scheint mir auf weiter nichts
anzukommen, als dass in einem in sich abgeschlossenen Kreise
von Menschen übereinstimmende Lebensverhältnissse zur Ent-
stehung kommen. Die Abgrenzung kann einmal eine räumliche
sein und sich an öffentlich-rechtliche Einrichtungen anschliessen,
indem das betreffende Gebiet einen staatlichen oder kirchlichen
oder Gemeinde-Verwaltungsbezirk (oder auch mehrere) bildet
oder gebildet hat, oder kann mit einer landschaftlichen Einheit,
z. B. einer Insel, einem abgeschlossenen Thale zusammenfallen,
sie kann aber auch rein zufällig entstanden sein. Oder sie kann
nach Berufsständen erfolgen, bei denen gewisse besondere Lebens-
verhältnisse vorkommen, wie bei den Kaufleuten, den Hand-
werkern, den Bauern. Daraus ergibt sich, dass auch im ersteren
Falle nicht nothwendig alle Angehörigen des Kreises von der auf
Uebung beruhenden Rechtsbildung betroffen zu werden brauchen.
Andererseits müssen im zweiten Falle die dem Gewohnheitsrechte
Unterworfenen sich nach räumlichen Merkmalen von den andern