Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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Mitgliedern desselben Standes scheiden lassen, wenn nicht der 
sehr seltene Fall vorliegt, dass es für den ganzen Stand auf der 
ganzen Erde gilt. Die Herrschaft des von dem Berufsstande 
eines Landes geschaffenen Rechtssatzes erstreckt sich im Zweifel 
auch auf den eines anderen, wenn ihre Angehörigen in einem so 
lebendigen Verkehr mit einander stehen, dass der Stand in beiden 
Ländern als eine Einheit erscheint. Dieser Verkehr bewirkt 
eben, dass die Menschen in beiden Gebieten übereinstimmende 
Lebensverhältnisse gleichmässig beurtheilen. Aber es genügt 
nicht umgekehrt die Gleichheit der rechtlichen Anschauungen zur 
Annahme eines einheitlichen Rechtskreises. Knüpfen sich in 
zwei Staaten, die keine Berührung mit einander haben, an den- 
selben Thatbestand dieselben rechtlichen Wirkungen, so wird uns 
eine Aenderung dieses Rechtszustandes in dem einen von ihnen 
nicht auf den Gedanken bringen, dass nun auch in dem anderen 
eine Aenderung eintreten müsse. Dagegen betrachten wir dies 
als sehr naheliegende Wahrscheinlichkeit, wenn die betreffenden 
beiden Länder durch den Verkehr für unsere Vorstellung zu 
einer Einheit verschmolzen sind, wenn also an den Lebens- 
verhältnissen der fraglichen Art nicht immer nur die Angehörigen 
des einen Gebietes, sondern sehr häufig Bürger beider betheiligt 
sind. Hier kann dann durch übereinstimmende Uebung in dem 
Gesammtgebiete eine einheitliche Norm zur Herrschaft gelangen. 
Massgebend ist demnach, dass bei einer Mehrzahl von Menschen 
gleichartige Verhältnisse in einer für die Bildung einer Uebung 
ausreichenden Anzahl vorkommen, und dass diese Menschen durch 
einen einheitlichen und nur bei ihnen sich findenden Umstand zu 
einer Einheit zusammengefasst sind. Dagegen kommt nichts darauf 
an, ob sie zugleich eine rechtlich geordnete Gemeinschaft dar- 
stellen. Von dem, was bei der Gesetzgebung erforderlich ist, 
darf man nicht ohne Weiteres auf das Gewohnheitsrecht schliessen. 
Es können Glieder des Staates die Befugniss zur (bewussten) 
Rechtssetzung verloren haben, und doch vermag vielleicht in
	        
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