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ausübung erscheinen müssen“. Wo ferner ein Zweifel über
diese Bedeutung des Herkommens möglich sein soll, müsste es
sich als Gewohnheitsrecht und als Vertrag auf ein dauerndes
Rechtsverhältniss beziehen, und nur ein solches kann gleichfalls
Gegenstand der Verjährung sein. Endlich schliesst Vernunft-
widrigkeit das Herkommen in allen Gestalten aus. Fehlt eine
dieser übereinstimmenden Voraussetzungen, so hat der bisherige
Zustand überhaupt auf Schutz keinen Anspruch, und wir brauchen
uns nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, unter welche einzelne
Kategorie das Herkommen nicht fällt. Sind sie vorhanden, so
brauchen doch die neben ihnen denkbaren Verschiedenheiten sich
nicht immer zu zeigen. Dann hat der Richter dem Herkommen
gemäss zu entscheiden; es ist aber nicht nothwendig, gerade das
Bestehen eines Gewohnheitsrechts anzunehmen, wenn wir gegen
dieses aus anderen Gründen Bedenken haben. Die unvordenk-
liche Verjährung nun setzt immer ein einzelnes subjektives Recht
voraus, da sie als Vermuthung für den ordnungsmässigen Erwerb
solcher Rechte aufzufassen ist. Wo daher ein einzelnes Rechts-
verhältniss zwischen mehreren bestimmten Personen seit mehr als
zwei Menschenaltern besteht, brauchen wir es nicht auf ein Ge-
wohnheitsrecht zurückzuführen, wobei es offenbar gleichgültig ist,
wenn die Betheiligten nicht physische, sondern juristische Personen
sind. Ein auf Uebung beruhender objektiver Rechtssatz könnte
nur ein den Privilegien entsprechender, unmittelbar subjektive
Befugnisse und Verpflichtungen schaffender „Individualrechtssatz“
sein, solche aber sind jedenfalls äusserst selten*° und daher nicht
ohne Noth anzunehmen. Liegen aber die Bedingungen der un-
vordenklichen Verjährung in einem einzelnen Falle nicht vor, so
müssen wir uns allerdings entscheiden, ob wir gewohnheitsmässige
Individualrechtssätze als möglich anerkennen wollen oder nicht.
4 Eintscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen Bd. XVII S. 119.
“5 REGELSBERGER I $ 22 unter I g. E., $ 30 bei Anm. 9.