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tigung zu ziehen sind*’. Gefahren könnte die Durchführung dieser
Ansicht auch nur mit sich bringen, falls auf diesem Wege Be-
rechtigungen, die das moderne Recht nicht zulassen will, z. B.
Frohnden, neu zur Entstehung zu kommen vermöchten. Allein
in der Aufhebung solcher Institute hat man gewiss auch ein
Verbot ihrer Neuschaffung durch Gewohnbeitsrecht zu finden,
dessen Beachtung Sache des Richters ist. Behandelt dieser den-
noch die durch Uebung in’s Leben getretene Gerechtigkeit als
zu Recht bestehend, so ist damit der Beweis geliefert, dass sich
die Anschauung, die zu der Beseitigung des Institutes geführt
hatte, nicht mehr aufrecht erhalten lässt.
Ein weiteres Erforderniss für die Entstehung von Gewohn-
heitsrechtssätzen ist die sogenannte opinio necessitatis. Das be-
deutet zunächst, dass bei der Feststellung einer Uebung nicht
ausschliesslich Handlungen in Betracht kommen dürfen, die aus
besonderen Beweggründen hervorgegangen sind, weil diese nicht
zur Anwendung in weiteren nur äusserlich ähnlichen Fällen ge-
eignet sind und nicht den Schluss auf das Bestehen eines allge-
meinen Grundsatzes rechtfertigen. Für die Ausbildung der An-
schauung, es herrsche ein gewisser Rechtssatz, können freilich
solche besonders geartete Fälle von Einfluss werden, weil für den
Fernerstehenden die inneren Beweggründe der Handelnden oft
nicht ersichtlich sind, vielmehr der äussere Anschein entscheidet.
Dadurch werden vielleicht andere Menschen veranlasst, auch
ihrerseits ihre Lebensverhältnisse in einer hiermit übereinstimmen-
den Weise zu ordnen. Der Riehter jedoch darf, wenn es sich
um den Beweis des Gewohnheitsrechts handelt, derartige That-
sachen nicht zur Unterstützung heranziehen. Für ihn ist der
+" Dass eine der betheiligten Parteien über der Sphäre der anderen
steht, wie z. B. der Regent über den Hofdienern, ist kein stichhaltiger Grund
gegen die Entstehung eines Gewohnheitsrechts. Anderer Ansicht ist aller-
dings das Oberappellationsgericht Wiesbaden (1851) in SEUFFERT's Archiv
Bd. XIII No. 2.