Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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mässig halten, dass er unter Aufwendung von Gewalt durchge- 
führt werde. Dagegen bedarf es nicht eines hierüber hinaus- 
gehenden Glaubens an eine Verpflichtung, ihn zu befolgen, am 
wenigsten der Meinung, dass er bereits dem positiven Rechte 
angehöre. Diese kann allerdings vorhanden sein, die Handelnden 
brauchen jedoch auch nur von der Anschauung auszugehen, dass 
der Rechtsgedanke gerecht und zweckentsprechend sei. Dabei 
ist wieder möglich, sowohl dass sie meinen, er müsse auch von 
anderen Menschen als vernünftig anerkannt und desshalb befolgt 
werden, als auch dass sie sich in dieser Beziehung gar keine 
Gedanken machen oder selbst annehmen, es lasse sich noch 
eine andere Ordnung des Verhältnisses denken, die ebenso gut, 
aber nicht besser sei. In diesem Sinne kann man zugeben, 
dass zur Entstehung eines Gewohnheitsrechts eine Rechtsüber- 
zeugung erforderlich ist‘®. Allein sie ist keine Ueberzeugung 
#2 Die Uebungshandlungen können, wie allgemein zugegeben wird, auch 
in Unterlassungen bestehen. Hier genügt zur Entstehung eines neuen Rechts- 
satzes gleichfalls nicht das einfache Nichthandeln, sondern letzteres muss auf 
einer Ueberzeugung des im Texte angegebenen Inhaltes beruhen. Wenn 
z. B. in einem Bezirke, wo das Grundeigenthum theilbar ist, Theilungen seit 
Jahrzehnten unterlassen wären, so rechtfertigte dies einen Schluss auf die 
Geltung eines die Theilung verbietenden Gewohnheitsrechtes nur, wenn zu- 
gleich zu vermuthen wäre, dass dies durch die Ueberzeugung, Theilungen 
seien rechtlich unzulässig, veranlasst sei. Dagegen ist nicht erforderlich, dass 
ein Anspruch auf Theilung versucht und zurückgewiesen ist, vgl. Oberappel- 
lationsgericht Lübeck (1846) in SEUFFERT’s Archiv Bd. I No. 308. Anders 
liegt die Sache bei einem einfach derogatorischen Gewohnheitsrechte; hier 
kommt es nur auf die Thatsache an, dass der Rechtssatz seit sehr langer 
Zeit nicht zur Anwendung gekommen ist, obwohl Gelegenheit dazu gewesen 
wäre. Eine Entscheidung des Oberappellationsgerichts Rostock (Entscheidungen 
herausgegeben von Bucuka und Bunpe I 8.69) fordert dagegen das Be- 
stehen einer opinio necessitatis und beschreibt diese als das Vorhandensein 
eines mit dem Rechtssatz unvereinbaren neueren Rechtsbedürfnisses. Ist 
dabei nicht nur ein unzutreffender Ausdruck gewählt, so müsste die Rechts- 
überzeugung sogar wirklichen, nicht bloss vermeintlichen veränderten Ver- 
hältnissen entsprechen. Anders die auch sonst interessante Entscheidung 
derselben Sammlung Bd. VI S. 182.
	        
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