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Recht es sowohl in den römischen wie in den kanonischen und
auch in den deutschen Quellen erwähnt ®®. Es darf aber jeden-
falls nicht in dem Sinne verstanden werden, dass der geübte
Rechtssatz für die Betrachtung des unparteiischen Beurtheilers
zweckmässig erscheinen müsse und desshalb zu billigen sei. So
gut wie es unverständige Gesetze giebt, können auch Gewohn-
heiten der inneren Berechtigung entbehren. Zu eng ist es aber,
wenn WınpscHEiD (Pandekten I S 17) meint, es müsse sich um
einen Widerstreit mit den Grundlagen der staatlichen und sitt-
lichen Ordnung handeln. Man muss wohl zwischen Bedenken,
die vom Standpunkte der Sittlichkeit und solchen, die aus dem
Gesichtspunkte der Unvernünftigkeit erhoben werden, unter-
scheiden. Recht und Sittlichkeit beschäftigen sich allerdings mit
zwei verschiedenen Gebieten des menschlichen Handelns und das
Recht hat nicht die Aufgabe, die Befolgung aller Gebote des
Sittengesetzes zu sichern; es kann etwas rechtlich zulässig sein,
was sittlich verboten ist. Aber beide entspringen aus dem eine
Einheit darstellenden Wesen des Menschen, es darf daher nicht
zwischen ihnen ein offenbarer Widerstreit bestehen. Dies würde
aber der Fall sein, wenn das Recht eine Handlung beföhle, die
das Sittengesetz verbietet, ja auch schon wenn es eine Handlungs-
weise ausdrücklich als berechtigt anerkennen würde, die nicht
bloss unter besonderen Umständen, sondern schon ihrem Inhalte
nach, also allgemein unsittlich ist, z. B. wenn es einen Vertrag
für verbindlich erklärte, durch den ein Mensch sich einem anderen
als Sklave ergibt; auch das Verbot dessen, was contra bonos
mores ist, gehört hierher. Dies gilt selbstverständlich auch für
das Gewohnheitsrecht, auch dieses kann keine Grundsätze ver-
bindlich machen, die in dem angegebenen Umfange von unseren
s® G. 2 Cod. quae sit longa cons. 8, 52; c. 11 X de consuet. 1, 4 vgl.
c. 11 eod. und c. 2 eod. in 6t0 1, 4; Schwabenspiegel, Landrecht 44 (Lass-
BERG) und die in Anm. 2 und 3 zum ersten Abschnitt angeführten Reichs-
gesetze,