Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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streit mit den Anforderungen der Sittlichkeit oder der Vernunft 
befindlich erschienen. Alsdann müssten sie ebenso wie eine ent- 
sprechende partikuläre Uebung verworfen werden®®,. 
IV. 
Nach der herrschenden Auffassung hat der Richter nur die 
Aufgabe, das geltende Recht auf die ihm von den Parteien 
unterbreiteten Thatbestände anzuwenden, ist aber nicht be- 
fugt selber Recht zu schaffen. Einen abweichenden Stand- 
punkt nimmt BüLow (Gesetz und Richteramt) ein, indem er 
davon ausgeht, dass die Rechtsordnung den Zweck habe, die 
einzelnen Lebensverhältnisse zu bestimmen. Dies könne nicht 
durch allgemeine gesetzliche Vorschriften allein geschehen, denn 
der Gesetzgeber sei auf eine, wenn auch grosse, Zahl gewöhn- 
licher typischer Rechtsfälle angewiesen und müsse Vieles und 
Wichtiges der selbständigen, genauer und bestimmter in’s Einzelne 
eindringenden Rechtsordnungsarbeit des Richteramtes überlassen. 
Die Macht des Richters reiche allerdings nicht über das einzelne 
abzuurtheilende Rechtsverhältniss hinaus, aber dennoch müssten 
seine Bestimmungen als Recht ordnende Akte der Staatsgewalt 
angesehen werden, da es unrichtig sei, auch für das nichtgesetz- 
liche Recht die Eigenschaft der Beständigkeit und Allgemein- 
gültigkeit zu verlangen. Das Gesetz vermöge gar nicht unmittel- 
bar Recht zu schaffen, sondern sei nur ein Versuch zur Bewirkung 
einer rechtlichen Ordnung. In ihm komme der Recht ordnende 
Wille der Staatsgewalt noch nicht zum Abschluss, vollendet trete 
er erst in den richterlichen Rechtssprüchen heraus. 
Hierbei scheint mir aber auf den Ausdruck Rechtsordnung 
ein zu grosses Gewicht gelegt zu sein. Gewöhnlich will man 
durch seinen Gebrauch nur andeuten, dass das Recht bestimmt 
ist, ordnend auf die Lebensverhältnisse einzuwirken, mögen daneben 
  
55 Vgl. auch REGELSBERGER, Pandekten I $ 20 unter IV.
	        
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