Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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Man darf aber auch nicht annehmen, dass im Verhältniss gleich- 
stehender Gerichte zu einander die bei einem von ihnen bestehende 
Uebung stets für seinen Bezirk gültiges Recht hervorbringe; es 
kann sein, dass entstandenes Recht auch für andere Bezirke 
massgebend ist, es kann aber auch sein, dass jenes gar keine Be- 
deutung hat. Auf den Willen der Behörde, für ihr Gebiet be- 
sondere Grundsätze zu schaffen, kann selbstverständlich nichts 
ankommen, denn hierzu ist sie überhaupt nicht befugt. Ent- 
scheidend ist vielmehr, ob der räumliche Umkreis, über den sich 
die Zuständigkeit des Gerichtes erstreckt, in Bezug auf das f{rag- 
liche Rechtsverhältniss eine solche Abgeschlossenheit besitzt, dass 
sich in ihm eigenthümliche Rechtssätze bilden können. Dies ist 
für das ältere gemeine Recht mit Rücksicht auf sein Verhältniss 
zum partikulären Rechte im Zweifel anzunehmen, dem Reichs- 
rechte gegenüber aber unzulässig, da dieses entgegenstehenden 
Landesrechten vorgeht. Bekanntlich hat das Reichsgericht in 
wiederholten Fällen dem Gerichtsgebrauche einzelner deutscher 
Länder die Verbindlichkeit mit der Begründung abgesprochen, 
dass eine selbständige partikuläre Rechtsüberzeugung nicht nach- 
weisbar sei, dass die betreffenden Gerichtshöfe vielmehr das ge- 
meine Recht hätten anwenden wollen, aber falsch aufgefasst und 
ausgelegt hätten®. Dabei ist nicht unterschieden, ob das gemeine 
Recht in den betreffenden Gegenden je zur Herrschaft gekommen 
ist. Es erscheint aber als unzulässig, die Grundsätze über die 
Entstehung eines Gewohnheitsrechts trotz einzelner Zuwiderhand- 
lungen auch hier entsprechend anzuwenden. Vermag sich in 
einem Gebiete selbständiges Recht zu bilden, so muss sich diese 
Möglichkeit auch nach der Richtung hin äussern können, dass 
62 Eintscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen Bd. I S. 313, 326, 
Bd. III S. 211, Bd. VI S. 371, Bd. VII S. 155, Bd. XIII S. 196. Im Er- 
gebnisse mag das Reichsgericht vielfach Recht gehabt haben, aber nur aus 
dem Grunde, weil der Gerichtsgebrauch noch nicht, wie erforderlich, eine 
sussergewöhnlich lange Zeit gedauert hatte.
	        
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