Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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und dessen privaten Wünschen verwandelt (S. 136). Schonungslos 
deckt Verf. diese dunklen Schattenseiten der jetzigen französischen 
Staatszustände auf, eine Kritik, die um so beachtenswerter ist, 
als sie aus dem Munde eines Republikaners kommt. — Ist somit 
die heutige französische Verfassung ein unhistorisches Ding, das 
dem kritischen Auge des amerikanischen Republikaners fast nur 
bedenkliche, ja vielfach widerwärtige Krankheitssymptome zeigt, 
so ist dies völlig anders mit der französischen Verwaltung in 
der Provinzial- und Lokalinstanz (S. 34fl... Die französische 
Verfassung ist das extremste demokratische Experiment; die fran- 
zösische Verwältung ist heute noch die starke despotische Prä- 
fektenverwaltung Napoleon’s L., fast unberührt von jedem Hauch 
freier Selbstverwaltung. Verf. zitiert hierfür den Ausspruch eines 
Franzosen: „we have the organization of an empire with the 
forms of a republic.“ Keines der verschiedenen und entgegen- 
gesetzten Regierungssysteme des 19. Jahrhunderts hat dieses 
napoleonische Erbteil aufgegeben; in der Provinzialverwaltung 
durch den allmächtigen Präfekten und der Lokalverwaltung durch 
den unfreien, nur den Befehlen des Präfekten gehorchenden 
Maire liegt bis zu dieser Stunde die Stärke Frankreichs, und 
dies despotische Verwaltungssystem scheint der Hauptgrund dafür 
zu sein, dass Frankreich den fortwährenden politischen Hexen- 
sabbat in Paris immer noch zu ertragen vermag. Während in 
dem in der Welt als despotisch verrufenen Preussen schon durch 
die Stein’sche Städteordnung von 1808 und dann weiterhin durch 
die Gesetzgebung seit 1872 eine quantitativ und qualitativ überaus 
weitreichende Selbstverwaltung eingerichtet werden konnte und, 
in der Hauptsache wenigstens, sich sowohl in den Städten als auf 
dem platten Lande vorzüglich bewährt, hält Frankreich fest an 
dem „patriarchalischen“ Verwaltungsdespotismus, der den Stempel 
des Geistes und der Staatsauffassung Napoleon’s I. trägt. Scharfen 
Blickes erkennt unser Verf. diese hochinteressanten und merk- 
würdigen Verhältnisse und giebt darüber sehr zutrefiende Be- 
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