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ablehnendes Verhalten die Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit
unmöglich gemacht bezw. verzögert hat?°. Nicht jede ärztliche
Einwirkung ist natürlich „Operation*. Wollte man so weit gehen,
dann wäre der Ausbeutung der Fürsorgeorgane und der Simu-
lation mancher Verletzten Thür und Thor geöffnet. Jede den
Bestand oder die Unversehrtheit des menschlichen Körpers er-
greifende, besonders jede mit Lebensgefahr (z. B. durch die Nar-
kose) verbundene Massnahme ist nicht gegen den Willen des
Patienten zulässig. Dem wohlwollenden, verständigen Ermessen
wird es im übrigen von Fall zu Fall überlassen bleiben müssen,
festzustellen, bis zu welchem Grade sich ein Verunglückter ge-
wisse, mit dem Heilverfahren nach ärztlicher Ansicht zu verbin-
dende Unannehmlichkeiten gefallen lassen muss (Auspumpen des
Magens, Einführung von Spiegeln, Massage, Elektrisieren, Liegen
auf dem Streckbett, Kraft- und Muskelübungen, Tragen ortho-
pädischer Apparate u. dgl.).
Der Zwang der Unfallversicherung in Bezug auf den
Kreis der zu Unterstützenden ist gesetzlich allgemein ge-
fasst. Der Bundesrat aber ist nach $ 1 Abs. 7 des Unf.-Vers.-G.
berechtigt, gewisse mit Unfallgefahren für die darin beschäftigten
Personen nicht verknüpfte Betriebe (d. h. Betriebsarten, nicht
konkret herausgegriffene Fabriken oder einzelne Abteilungen des
Betriebs bezw. bestimmte Klassen von Arbeitern des Betriebs)
von der Versicherungspflicht auszunehmen’®!.
Bedingt die Natur dieser Sondervorschrift eine sehr be-
schränkte Anwendung, so hat andererseits das Gesetz verschiedene
Möglichkeiten für die Ausdehnung der Unfallfürsorge vorgesehen.
2° Amtl. Nachr. des Reichsversicherungsamts 1888 S. 282 ff. No.552—553;
1893 S. 159 No. 1213.
21 Amtl. Nachr. 1887 S. 26 No.273. Eine viel weitgehendere und
darum nicht unbedenkliche Befugnis hat der Novellenentwurf dem Bundes-
rate beilegen wollen; er sollte berechtigt sein, alle nicht mit besonderer
Unfallgefahr verknüpften Betriebe von dem Versicherungszwange zu ent-
binden.