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von der Auffassung der Genossenschaftsversammlung betreffs der
Bedürfnisfrage bei Beratung des Statuts abhängig bleibt, oder
mittelst freiwilligen Beitritts zugelassen wird. Man könnte glauben,
dass hierdurch den Verhältnissen und Wünschen der einzelnen
Unternehmer am besten Rechnung getragen sei. Aber die Kehr-
seite der Medaille, und damit das Unzulängliche des geltenden
Rechts wird erkennbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die
wirtschaftliche Stellung vieler selbständiger Betriebsinhaber nicht
beneidenswerter ist, als die von Loohnarbeitern, und dass eine auf
die Erhaltung bedrohter Existenzen gerichtete Sozialpolitik diesen
kleinen Unternehmern, die mit manchem Aufseher oder Werk-
meister einer Fabrik gern tauschen würden, ebenfalls zu Hülfe
kommen muss. Darum wäre es zu wünschen, dass, wie es ähn-
lich schon der preussische Volkswirtschaftsrat vor 10 Jahren
empfohlen hat, bei der über kurz oder lang bevorstehenden Er-
weiterung des Gebiets der Unfallversicherung die Betriebsunter-
nehmer bis zu einem Geschäftseinkommen von 2000 Mk. jährlich
gesetzlich von der Zwangsfürsorge mit umfasst würden ?®.
So sehr der Gesetzgeber bemüht gewesen ist, an den Bau
der Zwangsversicherung die Möglichkeit der freiwilligen Beteiligung
anzufügen — eine Schranke bleibt doch unverrückbar bestehen:
nur gegen Betriebsunfälle erfolgt die Sicherstellung, also gegen
diejenigen körperschädlichen, plötzlichen und von dem Betroffenen
nicht beabsichtigten Einwirkungen eines äusseren Thatbestandes
auf einen Menschen, welche durch die besondere, über die Unfall-
gefahr des gewöhnlichen Lebens hinausgehende Gefährlichkeit
eines Betriebes verursacht wird (Rosın). Darüber hinaus kann
das Genossenschaftsstatut weder im Wege des Zwanges noch
durch Zulassung freiwilliger Erklärungen einen Fürsorgeanspruch
35 Vgl. den Aufsatz von KuLEmann in der „Invaliditäts- und Alters-
versicherung“ Bd. 7 S. 50, die einstweilen gescheiterte Unfallnovelle be-
treffend. Nach derselben sollte die Versicherungspflicht der Unternehmer
allgemein durch Statut ausgesprochen werden können.