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seinem Berufungsrechte geeigneten Gebrauch macht. Anders ist es
— und das will sozialpolitisch nicht ganz zweckmässig erscheinen —
hinsichtlich des Verzichtes auf die Rente oder auf Teile der-
selben. Zu der Gültigkeit desselben bedarf es nicht der Zu-
ziehung des Staatskommissars; es ist den Bewerbern indes das
Recht nicht zu versagen, gegen einen rechtlichen oder thatsäch-
lichen Irrtum, der sie zur Aufgabe ihrer Ansprüche verleitete,
nach Gewinnung besserer Einsicht durch Widerruf des Verzichtes
eine Art von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach-
zusuchen®*. Vorbehalten bleibt natürlich auch das von wohl-
wollenden Anstaltsvorständen gern und ausgiebig geübte, vom
Reichsversicherungsamte ausdrücklich gewährleistete Recht, aus
freien Stücken eine Wiederaufnahme des Verfahrens eintreten zu
lassen und bei nachträglicher Begründung dem Rentengesuche
doch noch zu entsprechen®®,
Bietet diese dem Unfallrechte der Praxis®® ebenfalls nicht
unbekannte, aber dort wohl seltener angewendete Befugnis dem
Vorstande schon manche Gelegenheit, etwaige Härten zu mildern,
so ist die Vorschrift in $ 12 Inv.- u. Alt.-Vers.-G. mit dem weiten
Rahmen, den sie der Thätigkeit der Versicherungsanstalten öffnet,
noch mehr dazu angethan, den Zwang der Leistungspflicht
durch ein freiwillig geübtes, darüber bedeutend hinausgehendes
Leistungsrecht zu ergänzen. Die Vorstände der meisten Ver-
sicherungsanstalten und Kasseneinrichtungen haben, nachdem kaum
ein Jahr seit dem Inkrafttreten der Invalidenversicherung ver-
flossen war, ihre volle Aufmerksamkeit der vorbeugenden Kranken-
pflege zugewendet und im weiteren Verlaufe eine grosse Zahl
von Genesungsheimen, Krankenhäusern u. s. w. eingerichtet; mit
54 Abweichend Amtl. Nachr., Invaliditäts- und Altersversicherung 1894
No. 356 8.126; vgl. dagegen die auch auf Invalidenversicherung anwend-
baren Ausführungen der Rekursentscheidung No. 1648 (1897 das.).
55 Ebenda No. 58 (1891), No. 101 (1892).
5 Ebenda, Unf.-Vers. 1889 No. 660.