— 353 —
Letzteres zählt zunächst im $ 6 für die Ortspolizei (und entsprechend sodann
im $ 12 für die Landpolizei) die Gegenstände polizeilicher Regelung auf,
unter a—h mit spezieller Bezeichnung, unter i mit den Worten: „alles andere,
was im besonderen Interesse der Gemeinden und ihrer Angehörigen polizei-
lich geordnet werden muss“. Verf. schliesst sich unter eingehender Be-
kämpfung der abweichenden Ansicht Rosm’s der herrschenden Lehre an,
wonach sich die auf Grund dieses Gesetzes und insbesondere seines $ 6i er-
lassene Polizeiverordnung innerhalb der durch $ 10 II, 17 Allg. L.-R. gezogenen
Schranken zu halten habe. Er gewinnt hieraus den wichtigen, grundlegenden
Satz, dass Polizeiverordnungen „nur zur Erhaltung der Öffentlichen Ruhe,
Sicherheit und Ordnung“ (welche Begriffe S. 16 erläutert werden) „und zur
Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitgliedern desselben bevor-
stehenden Gefahr“ bestimmt sind, mithin nicht zur Förderung der allgemeinen
Wohlfahrt, sondern ausschliesslich zur Abwehr von Schaden und Gefahren
ergehen dürfen. Für die Polizeiverfügung aber sieht Verf. in dem an-
gezogenen Satze des Allgemeinen Landrechts die einzige Unterlage und zwar
— wenn auch nicht formell, so doch materiell — hinsichtlich des gesammten
Staatsgebiets. Und nachdem er noch in $ 3 von der gerichtlichen Nach-
prüfung gehandelt, kommt er in Theil II zu den Beschränkungen des Privat-
rechts durch die Polizei.
Mit vollem Rechte wird hier von dem Grundsatze ausgegangen, dass
die Polizei überhaupt in die Privatrechte eingreifen dürfe, dass letztere nicht
um dieser ihrer Eigenschaft willen ein noli me tangere bilden. Nach Fest-
stellung dieses Satzes wird das Verhältniss der Polizei zur Gewerbefreiheit
untersucht (S. 30f.), wobei freilich dem Verf. nicht zugestanden werden kann,
dass die Gewerbefreiheit — d.h. der Zustand nach reichsrechtlich erfolgter
Hinwegräumung früherer, sei es privatrechtlicher, sei es öffentlich-rechtlicher
Beschränkungen des Gewerbebetriebs — dem Gewerbetreibenden (oder Jedem,
der ein Gewerbe betreiben darf?) ein Privatrecht verleihe. Indessen auch
hiervon abgesehen, sind die Grundsätze, nach welchen Biermann das Ver-
ordnungs- und Verfügungsrecht der Polizei bemessen will, recht anfechtbar.
Zweifellos gehört Alles, was vom Reiche — in der Gewerbeordnung selbst
oder anderswo — öffentlich-rechtlich bestimmt ist, auch in Preussen zum
Bestande des öffentlichen Rechts und kann in Folge dessen nach des Verf.
früheren Ausführungen (S. 17) polizeilichen Schutz erhelten. So erledigt
sich die Frage, wie trotz des Schweigens der Gewerbeordnung der Handel
mit trichinösem Fleische polizeilich untersagt werden könne, schon durch
Hinweis auf $ 867° des Str.-G.-B. Wo aber eine reichsrechtliche Satzung
nicht vorliegt, tritt das (mittelbar oder unmittelbar) auf $ 10 II, 17 Allg. L.-R.
zurückzuführende Verordnungs- und Verfügungsrecht der Polizei in Kraft —
es wäre denn, dass die Frage, ob die öffentliche Sicherheit und Ordnung
unter gewissen Voraussetzungen gefährdet sei, reichsrechtlich bereits in ver-
neinendem Sinne eine Entscheidung gefunden hätte. Und in dem Prinzipe
Archiv für Öffentliches Recht. XII. 2. 23