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hinaus ein reiches Material zum Studium der deutsch-österreichischen Ver-
fassungs- und Verwaltungsgeschichte. Die Verf. haben sich nach den ver-
schiedenen Landesgebieten in die Arbeit getheilt und haben sich die Arbeit
nicht leicht gemacht. Sie sind durchweg auf die handschriftliche Ueber-
lieferung zurückgegangen und haben vielfach bisher Unedirtes aus Archiven
herangezogen, so dass manche Stücke hier zuerst in einem kritisch korrekten
Texte oder überhaupt zuerst erscheinen. Die wesentlichsten Drucke und
Erläuterungsschriften sind am Kopfe der Urkunden angeführt. Die Reihen-
folge der Stücke ist chronologisch, doch ist zum Glück in einem vortrefflichen
Realindex eine nach den wichtigsten Kategorien des Rechtslebens geordnete
Uebersicht über den Stoff gegeben, wodurch es ermöglicht wird, wenn auch
mit einiger Umständlichkeit, die zu einer Materie gehörigen Urkunden zu-
sammenzufinden. Man kann zweifeln, wie die Verf. selbst, ob diese An-
ordnung für den praktischen Gebrauch die geeignetste sei: der Forscher
wird sich die Mühe nicht verdriessen lassen, das Zusammengehörige auf-
zusuchen, auch der Student nicht, sofern er sich im Unterricht dazu an-
gehalten sieht, aber dieser wird sich schwerer entschliessen, das Buch auch
sonst zur Vertiefung und Veranschaulichung seiner Kenntnisse durchzugehen,
als wenn ihm die Urkunden in einzelnen Materien zusammengestellt geboten
würden. Freilich hat eine solche Anordnung wieder andere sachliche
Schwierigkeiten, die Jeder zu würdigen weiss, der sich mit einer solchen
Aufgabe befasst hat, und so darf man mit den Herausgebern wegen der ge-
troffenen Entscheidung kaum rechten.
Das Studium der territorialen Rechtsgeschichte, namentlich auch der
österreichischen, ist noch im Ganzen wenig entwickelt, und doch bildet sie
für die deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte des späteren Mittelalters recht
eigentlich den Aufzug im Gewebe. Ein Werk, wie das vorliegende, das
einen reichen Einblick in die Rechtsverhältnisse bedeutender Territorien
gewährt und das Studium derselben anregt, ist daher auch im allgemeinen
Interesse der deutschen Rechtsgeschichte freudig zu begrüssen.
Eine persönliche Bemerkung sei dem Ref. noch gestattet. Das hier
besprochene Buch ist gelegentlich von einem Recensenten dazu gemissbraucht
worden, die vom Ref. und W. ALTMAnN gemeinsam herausgegebenen „Ur-
kunden zur Erläuterung der Verfassungsgeschichte Deutschlands im Mittelalter“
im Vergleich damit herunterzusetzen — sehr mit Unrecht, da unser Buch
lediglich und ausgesprochenermassen den Zweck hat, dem praktischen Ge-
brauch zu dienen, nicht ausserdem, wie das vorliegende, wissenschaftliches
Material zu bieten. Es gibt freilich Leute, für welche Urkunden keine andere
Bedeutung haben als immer wieder mit allen Chikanen edirt und diplomatisch
analysirt zu werden.
E. Bernheim.