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V. Kapitel. Wohlgeordnet zeigt Kapitel IV den Gang der Entwicklungs-
geschichte des Militärstrafverfahrens nach Richtung insbeson-
dere der Oeffentlichkeit. Die Schwierigkeit solcher Geschichts-
darstellung, namentlich für die Zeit von 1500 bis 1800, liegt in dem
Mangel an allgemeinen und speziellen Vorarbeiten über den Heeres-
prozess. Der Verf. erhebt auch nicht den Anspruch, neue Quellen erschlossen
zu haben, sondern benutzt hauptsächlich die in die Fachlitteratur bereits
eingedrungenen Quellen. Dies ist für ihn kein Vorwurf. Denn das aus-
gebeutete Material reicht aus, um das Militärstrafverfahren geschichtlich zu
skizzieren, stellenweise auch episodisch zu behandeln, und der Frage der
Oeffentlichkeit wenigstens im allgemeinen nachzugehen. Der Verf. geht bis
auf den Militärstrafprozess des Altertums zurück, durchwandert dann alt-
germanisches und fränkisches Gebiet und macht bei der Karolina vom Jahre
1532 einen längeren Halt. Auf dieses Gesetz und seinen romanisierenden
Einfluss geht er näher ein, da die Karolina etwa 300 Jahre lang die deut-
schen bürgerlichen und militärischen Strafgerichte beherrscht habe und im
wesentlichen noch heute das preussisch-deutsche und das österreichische
Militärverfahren beherrscht. Besonders einleuchtend und durchsichtig ist
die Darstellung des deutschen Heeresprozesses in seinen einzelnen eigen-
artigen Heeresgebilden, wie z. B. Lehnritterschaft, Schweizer Kriegsgemeinde,
Landsknecht u. s. w. Ueberzeugend ist das Ergebnis seiner geschichtlichen
Forschung, dass nämlich im Heeresprozesse Volksöffentlichkeit nirgends
nachzuweisen sei, dass aber eine im germanischen Gerichtsverfahren wur-
zelnde, vom römischen Recht und den Kriegsläuften oft unterdrückte Mi-
litäröffentlichkeit bestanden habe. Im V. Kapitel folgt eine vorzügliche
„Vergleichung der zur Zeit in den Ländern mit Oeffentlichkeit
des Militärstrafverfahrens geltenden Rechte“. Das Recht der
Staaten mit geheimem Militärstrafprozess, — Türkei, Oesterreich-Ungarn,
Norwegen, Dänemark, Holland, Preussen, — wird nur kurz erwähnt. Die
übrigen Länder sind unter dem Gesichtspunkte, ob dort ein akkusatorisch-
inquisitorischer Prozess französischen Musters oder ein akkusatorischer Pro-
zees oder ein akkusatorisch-inquisitorischer Prozess mit mehr selbständiger
Gestaltung gilt, geschickt in folgende drei Gruppen eingeteilt: 1. Frankreich,
Belgien, Italien, Schweiz, Rumänien, Griechenland, Serbien; 2. Grossbritannien
und Vereinigte Steaten von Nordamerika; 3. Russland, Bulgarien, Bayern,
Schweden, Spanien nebst Chile, Portugal, Brasilien, Transvaal. Ueber alle
diese Länder erhalten wir eine vollständige und kritische Darstellung ihres
positiven Rechts. Hinzugefügt ist 8. 229 bis 276 ein gründlicher und gut
erläuterter Quellenanhang. Ein zweiter Anhang giebt zu den einzelnen Ka-
piteln 56 Erläuterungen meist historischen Inhaltes. — Im Schlusskapitel VI
entwickelt der Verf. ausführlich und gediegen seine „Vorschläge hin-
sichtlich der Oeffentlickeit im künftigen deutschen Militär-
strafprozesse“ und geht dabei auf alle übrigen Grundfragen des Militär-