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Das moderne Militärstrafverfahren beginnt mit der Fest-
nahme des Angeschuldigten. Daran schliesst sich, dem bürger-
lichen Strafprozesse analog, ein Untersuchungsverfahren mit
eventueller summarischer Aburtheilung. Auf das Untersuchungs-
verfahren folgt eine Nachprüfung, welche an die Thätigkeit der
Anklagejury im bürgerlichen Strafprozesse erinnert. Das nächste
Stadium ist das Stadium der mündlichen Hauptverhandlung vor
dem versammelten Militärgerichte.. Den Abschluss bildet das
militärische Bestätigungsverfahren und das eventuelle Nach-
prüfungsverfahren vor den bürgerlichen Gerichten. Der englische
(rundsatz, die Exekutivgewalt nicht bloss durch die gesetzgebende
(Gewalt, sondern auch durch die Richtergewalt zu kontrolliren,
ein Satz, welchem der englische Richter seine erhabene Stellung
verdankt, drückt das ganze Militärstrafverfahren auf das Niveau
eines Verfahrens vor einem Gerichte zweiten Ranges herab.
I. Das Festnahmeverfahren.
Der Festnahme eines Offiziers pflegt ein kurzes Ermittelungs-
verfahren voraufzugehen; nothwendig ist dieses Vorverfahren in-
dessen nicht. Für die Regel wird es ein Vorgesetzter sein,
welcher die Festnahme anordnet; es giebt jedoch Fälle, in welchen
ein jüngerer Offizier seinen Vorgesetzten festnehmen darf, und es
kann sogar vorkommen, dass eine dahingehende Verpflichtung
entsteht. Der Arrestbefehl wird in der Regel, wenn auch nicht
nothwendiger Weise, schriftlich ertheilt. Vollzogen wird die Fest-
nahme entweder unmittelbar durch den dieselbe anordnenden
Offizier oder durch einen mit der Vollziehung beauftragten Offizier;
der höhere Vorgesetzte braucht sich dabei nicht der Vermittelung
der niederen Vorgesetzten zu bedienen. Die Festnahme ist un-
verzüglich dem Kommandeur des Bezirks zu melden; handelt es
sich um einen Offizier, welcher Parlamentsmitglied ist, so muss
ausserdem an den Präsidenten der betreffenden Kammer unter An-
gabe des Arrestgrundes Bericht erstattet werden. Die Arrestirung