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Zeugen, welcher nur während seiner Vernehmung zugegen sein
soll, wird die protokollirte Aussage vorgelesen und Gelegenheit
zur Klärung etwaiger Widersprüche gegeben. Sämmtliche Be-
weisregeln, welche für den bürgerlichen Strafprozess gelten,
kommen auch in der militärgerichtlichen Hauptverhandlung zur
Anwendung. Gerichtsmitglieder, welche sich während der Be-
weisaufnahme auch nur einen Augenblick entfernt haben, dürfen
sich an der Sitzung nicht weiter betheiligen.
Kein Gerichtsmitglied darf sich der Abstimmung enthalten.
Die Urtheilsberathung darf keine öffentliche sein. Der Spruch
lautet „Schuldig“, „Bedingt schuldig“, „Nicht schuldig“ oder
„Nicht schuldig und in Ehren freigesprochen“ ; eventuell kann im
Protokolle vermerkt werden, dass eine Ausübung des Begnadi-
gungsrechts am Platze erscheint. Falls Zweifel darüber verbleiben,
ob die als erwiesen anzunehmenden Thatsachen das zur Last ge-
legte Delikt bilden, pflegt das Gericht den Fall derjenigen Person
zu unterbreiten, welche das Urtheil zu bestätigen haben würde.
Wird der Angeklagte für „Nicht schuldig“ befunden, so wird die
Freisprechung sofort in öffentlicher Sitzung verkündet. Anderen-
falls informirt sich das Gericht über die etwaigen Vorstrafen des
Angeklagten. Bei der Strafzumessung soll das Gericht im Auge
behalten, dass es sich einzig und allein um die Aufrechterhaltung
der militärischen Disziplin handelt und mithin die geringste Strafe
genügt, welche das gedachte Resultat herbeiführt. Dass das er-
kennende Gericht weitgehende Strafbefugnisse besitzt, darf von
keinem Einfluss sein; ebensowenig kann es für die Strafzumessung
in Betracht kommen, dass der Angeklagte eine summarische Ab-
urtheilung ablehnte. Das Urtheil wird von dem Vorsitzenden und
dem Judge-Advocate gezeichnet und unter Beifügung der Akten
zur Bestätigung vorgelegt.
Sieht man davon ab, dass das militärgerichtliche Verfahren
keine Jury kennt, so zeigt sich bereits auf den ersten Blick, dass
das bürgerliche Strafverfahren als Muster vorgeschwebt hat. Die