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Angesichts derartig fürsorglicher, zugleich im Interesse der
Staatswirthschaft und der Laandespolizei gegebenen Vorschriften
wäre es in der That schwer begreiflich, wenn das Prozessgesetz,
etwa aus blinder Vorliebe für die Verhandlungsfreiheit der Par-
teien, nicht grundsätzlich daran festhalten sollte und wollte,
dass später auch für die einschlagenden Privatrechtsverhältnisse
der Rezessbetheiligten der Rezess in dem Sinne maassgeblich sein
sollte, dass im Streitfalle der Civilrichter, unabhängig von den
Anträgen der Parteien, von ihm aus als Grundlage das Recht zu
finden habe. Es wäre ja sonst den Parteien im Civilprozesse ge-
stattet, eine unter behördlicher Mitwirkung und Oberaufsicht, mit
Vereinigung aller dabei zusammentrefienden Interessen, ins-
besondere auch des Staates und anderer öffentlichen Genossen-
schaften mühsam gewonnene Regelung der Grundeigenthums-
verhältnisse einer Feldmark — allerdings nur soweit sie das
zwischen den Parteien streitig gewordene Verhältniss betrifft —
als nicht vorhanden zu betrachten und bei Seite zu schieben und
den Oivilrichter zu einer vom Standpunkte der Verhandlungs-
maxime formell richtigen, aber doch der wahren Rechtslage und
jener Regelung widersprechenden und sie durchlöchernden, ja
praktisch unter Umständen gänzlich unbrauchbaren Entscheidung
zu drängen. Und das, wo das Gesetz ($ 170 der preuss. Ver-
ordnung von 1817) selbst sagt, dass nach Vollziehung des Re-
zesses „das Verfahren dergestalt abgeschlossen werde, dass die
zur Sache gezogenen Interessenten nicht nur mit keinen Ein-
wendungen wegen der hierin bestimmten Gegenstände, sondern auch
mit keinen Nachforderungen auf Rechte, welche ihnen hinsichtlich
dieser Regulirung zuständig und dabei übergangen wären, weiter
gehört werden könnten“. Nach Absicht des Gesetzgebers muss
der Rezess durchaus den allgemeinen Sätzen des Nachbarrechts
u. 8. w. zur Seite gestellt werden und neben ihnen nach
Art einer lex specialis wirken. Das erfordert unbedingt seine
oben skizzirte Zweckbestimmung, zu deren praktischer Ver-