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Richter, „wo er ohnehin zur amtlichen Prüfung berechtigt und
verpflichtet ist, wie z. B. bei Prüfung des Vorhandenseins der
wesentlichen Prozessvoraussetzungen, auch ohne Parteiantrag —
seine eigenen auch ausserhalb dieses Prozesses vorgenommenen
Handlungen und Wahrnehmungen, wie z. B. Vormundschafts-
bestellungen, Entmündigungen, Konkurseröffnungen von Amts-
wegen beachtet“. Aber es soll eben nur die „formelle Seite des
Parteivertrags“ sein, bei der „nicht selten Vorschriften in Frage
stehen, deren Beobachtung im öffentlichen Interesse gefordert und
daher der freien Parteidisposition entzogen ist“, wie PLANCK
(Bd. II S. 103, vgl. 8. 109) ausdrücklich sagt; und um Derartiges
handelt es sich bei dem hier Erörterten ja keineswegs.
Eine ausdrückliche Billigung, wie sie das neue öster-
reichische Prozessgesetz, der BüLow’schen Lehre folgend, für das
rechtskräftige Civilurtheil ausspricht, wird man auch in der
Literatur für meinen Satz nicht aufzufinden vermögen, geschweige
denn im Prozessgesetze selbst. Doch würde das Schweigen der
Prozessordnung selbst darüber an und für sich noch nicht gegen
ihn sprechen. Denn abgesehen davon, dass viele Rechtssätze erst
von der Wissenschaft gefunden werden (und allerdings auch dieser
hätte dazu gehören müssen!), ist ein Gesetz selten derart in sich
abschliessend, dass nicht eine Reihe von Vorschriften aus anderen
Rechtsgebieten, insbesondere, wie hier, dem des öffentlichen Rechts
blos die Rechtsanwendung, sondern auch die Stoffsammlung beherrschen.“
— Weniger schroff, worauf ich schon in meiner eben citirten Arbeit S. 3
hingewiesen habe, war die gemeinrechtliche Lehre. So sagt BayEr, Vor-
träge (8. Aufl.) S. 34, das Verhandlungsprinzip erleide eine Ausnahme nur
dann (also dann doch), „wenn eine richterliche Verfügung durch das öffent-
liche Interesse geboten ist; oder wenn es gilt, der Gefahr einer Nichtig-
keit des Verfahrens vorzubeugen“. Und Herrrer, System (II. Ausgabe)
S. 4: „Bei dem Civilrichter handelt es sich nur von Privatrechten, über
welche, wenn nicht staatsrechtliche Hindernisse eintreten, die Parteien
ohne Einschränkung zu verfügen berechtigt sind.“ Ein weiteres einschlagendes
Citat aus HErFTer findet sich in dem trefflichen Buche des Dr. Schwartz,
Vierhundert Jahre deutscher Prozessgesetzgebung S. 782.