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Im Streit um eine Grundgerechtigkeit ist insbesondere auch
deren Umfang zweifelhaft, während der sie ausweisende Rezess
sie genau beschreibt und beschränkt.
Ein Rezess enthält genaue Vorschriften über die von den
Grundbesitzern sich gegenseitig zugestandenen Befugnisse be-
treffend das Bepflanzen mit Bäumen an den Grenzen oder auf den
Wegen, über Vorfluth u. s. w., die von den angeblich herkömm-
lichen, auf die sich eine Partei im Prozesse bezieht, abweichen.
Die Parteien berufen sich zwar auf den Rezess; aber ver-
mögen aus Ungeschick oder Ueberstürzung nicht alle einschlagen-
den Bestimmungen zu bezeichnen; das Gericht glaubt, die nicht
bezeichneten nicht kennen zu dürfen.
Der Streit dreht sich um Rechte an einem Mühlengraben,
ohne dass Parteien daran denken, dass er rezessmässig zum Theile
des ihn bildenden öffentlichen Flusses erklärt ist; oder dass das
sonst zweifelhafte Uferbegangsrecht (Schaufelschlagsrecht) dort
ausdrücklich festgesetzt wird.
Kläger nimmt ein zwischen ihm und seinem Nachbar liegendes
Grundstück bis zu einer gewissen Grenze als sein Alleineigenthum
in Anspruch; der Rezess ergibt die Ueberweisung zu gemein-
samen Eigenthum mit gewissen gegenseitigen Beschränkungen.
Ein Grundbesitzer klagt als Privatrecht ein Recht auf Ent-
nahme von Sand aus einem bestimmten Grundstück gegen seine
Dorfgemeinde ein, während er nur ein öffentlichrechtliches und
dem Ermessen des Ortsvorstandes unterliegendes Recht darauf
kraft Rezesses besitzt. Oder er erhebt eine Klage gegen die
einen Weg aufhebende Ortsgemeinde aus einer die Wegefläche
angeblich ergreifenden Wegegerechtigkeit; der Rezess ergibt deren
Oeffentlichkeit und Kenntniss davon auf Seiten des Klägers. Er
lässt also die angeblichen Ersitzungshandlungen in einem ganz
anderen Lichte erscheinen.
Ob man sich im Einzelnen so oder so zu diesen Beispielen
zu stellen habe, lasse ich im Uebrigen unentschieden; sie sollen