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lass der Einführung der obligatorischen Civilehe überall ent-
sponnen hat. Die meisten Schriftsteller, welche der Frage eine
'eingehendere Erörterung widmen, ziehen fast ausschliesslich den
einen Fall einex Eheschliessung in kirchlicher Form innerhalb
eines Staates, nach dessen Gesetzgebung eine Eheschliessung
giltig nur vor dem Standesbeamten erfolgen kann, inbetracht
und vergessen über dem prinzipiellen Gegensatz zwischen kirch-
licher Eheschliessung und Civilehe die eigentliche Aufgabe, welche
sie zu lösen haben, die Frage, welche positive Gesetzgebung auf
einen gegebenen Thatbestand Anwendung finden soll. Die Be-
deutung, welche der Einführung der obligatorischen Civilehe in-
folge des Widerstandes der Kirche politisch zukommt, verleitet
dazu, der Form der Eheschliessung rechtlich eine Bedeutung zu
geben, welche derselben ihrer inneren Natur nach nicht entspricht,
und die diesbezüglichen Gesetze zu einem Bestandteile der öffent-
lichen Rechtsordnung zu erheben, der sich auch Ausländer nicht
zu entziehen vermögen. Dazu kommt noch, dass in der Mehr-
zahl der Gesetzgebungen durch positive Bestimmungen die An-
wendung auswärtigen Rechts bezüglich der Form der Eheschlies-
sung ausgeschlossen ist.
Als der Staat durch Einführung der Civilehe der Kirche
jeden Einfluss auf das Zustandekommen des Rechtsverhältnisses
der Ehe entzog, war es die Rücksicht auf seine Angehörigen,
welche ihn zu diesem Schritte bewog: Die Schranken, welche die
Kirche in ihrem Eheschliessungsrechte in persönlicher Beziehung
gezogen hatte, schienen dem Staate mit den Interessen seiner
Angehörigen nicht vereinbar. Die obligatorische Civilehe ist eine
Schöpfung der französischen Revolution; ihre Einführung war
getragen von der Idee des Schutzes der individuellen Freiheit,
nicht von der Idee der Förderung staatlicher Interessen.
Es war zunächst das Interesse der Beteiligten selbst, das
überhaupt dazu führte, die Giltigkeit der Eheschliessung von der
Beobachtung einer bestimmten Form abhängig zu machen. Bei