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Voraussetzung, an welche die Rechtsnorm die Rechtsfolge einer
Rechtspflicht, resp. in Verbindung mit der Pflichtverletzung,
eine Unrechtsfolge knüpft. Dann ist aber auch die Möglich-
keit gegeben, den Verwaltungsakt als Rechtspflicht oder sub-
jektives Recht der Staatsperson zu begreifen, denn dann ist
er formal tatsächlich nur Exekutive eines mit ihm nicht iden-
tischen Rechtssatzes, der Rechtsordnung, die in Form
des Gesetzes °* erscheint. Dann ist aber auch der logische
Widerspruch vermieden, der darin liegt, daß man den Verwal-
tungsakt — nach Rechtsstaatsprinzip — den Normen einer
Rechtsordnung unterworfen denkt, und dabei dennoch selbst
als Rechtsnorm erklärt. Wenn das Verwaltungsrecht ein Inbe-
griff von Rechtsnormen ist, die unter anderem auch den Ver-
waltungsakt des Staates regeln, dann kann der Verwaltungs-
akt nicht selbst Rechtsnorm sein.
Indessen schränkt Otto Mayer seine Behauptung, die Exe-
kutive könne dem Untertanen gegenüber ohne gesetzliche Basis
bestimmen, was Bechtens sein soll, wesentlich ein. Ersagt: ‚Soll
damit ein Eingriff gemacht werden in Freiheit und Eigen-
tum, Befehl, Lastauflegung, Begründung einer Zahlungspflicht,
5 Jm konstitutionellen Rechtsstaate, der theoretisch nicht
die einzig mögliche Form des Rechtsstaates ist. Wesentlich für den
letzteren ist nicht die spezifische Form des Gesetzes, sondern die Unter-
scheidung zwischen einer — irgendwie zustande gekommenen — Rechts-
norm und demdurch diese Rechtsnorm determinierten, von der Rechts-
norm formal zu trennenden Staatsakt. Zuzugeben ist allerdings,
daß die formale Unterscheidung zwischen Norm und Akt nur im
konstitutionellen Rechtsstaate auf Grund der hier durchgeführten
Trennung zwischen einer rechtserzeugenden (legislativen) und einer
exekutiven Staatsgewalt auch praktisch materielle Bedeutung hat.
Ob im konstitutionellen Staate auch auf Grund vorkonstitutioneller
Rechtsquellen staatliche Tätigkeit oder doch gewisse staatliche Tätig-
keit entfaltet werden kann, ist eine andere Frage, Dazu vgl. Thoma,
Der Polizeibefehl im badischen Rechte, Tübingen, J. C. B. Mohr 1906.
8.98 ff. und Fleiner a. a. ©. 8. 118 ff.