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(Gegenüber der absoluten Bestimmung der Verordnung, dass
alle Verkaufsautomaten für offene Verkaufsstellen zu halten sind,
bedeutet das zweite Urteil einen Fortschritt.
Dagegen steht das jüngste Urteil des Kammergerichts vom
9. Nov. 1896°! immer noch auf dem gleichen Standpunkte wie
das Breslauer Urteil. Wir werden versuchen, es an der Hand
seiner eigenen Gründe zu widerlegen:
Es handelt sich um einen im Warteraum eines Bahnhofes
befindlichen Verkaufsautomaten und ist erkannt, dass derselbe
der Sonntagsruhe als offene Verkaufsstelle sich zu unterziehen habe.
Zunächst dürfte es zweifelhaft sein, ob bei der gegenwärtig
allgemein auf preuss. Eisenbahnen eingeführten Bahnsteigsperre,
welche gewöhnlich die Restaurationsräume und Wartezimmer
mit umfasst, ein in solchen Räumen aufgestellter Automat
als offene Verkaufsstelle zu betrachten sei. (Siehe insbesondere
Münchener Entscheidungen 1895, Bd. VII S. 170.) Doch ist
dieses eine Thatfrage. —
Das Urteil fühlt sich aber veranlasst, in seiner Begründung
auch noch des weiteren zu erörtern, inwiefern das Funktionieren
des Automaten als Gewerbebetrieb auszulegen sei, und führt
für diese seine Ansicht zweierlei an: Erstens trete die maschinelle
Einrichtung an Stelle des Verkäufers, zweitens liege aber auch
eine positive Thätigkeit des Verkäufers vor, indem derselbe den
Automaten aufstellt und füllt.
Dass der maschinell funktionierende Automat den Verkäufer
vertritt, geben wir nicht nur zu, sondern berufen uns sogar dar-
auf, denn darin liegt eben der Grund, weshalb das Sonntagsruhe-
gebot nicht eingreifen kann. Müsste man doch analog auch über
Turmuhren und automatische Thürschliesser die Sonntagsruhe
verhängen! Das Gesetz vom 1. Juni 1891 könnte nur dann auf
Automaten Anwendung finden, wenn mit dem Funktionieren der-
81 (HOLTDAMMER'sS Archiv Bd. 44 S. 418.