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man könne ‚sich der vom Reichsgericht vertretenen Annahme
eines Dienstbarkeitsverhältnisses anschliessen, ohne damit die Be-
gründung desselben durch stillschweigenden Vertrag als zutreffend
anzuerkennen. PaArıs beruft sich auf SCHULTZENSTEIN’s. in
GrucHor’s Beiträgen Bd. XVII S. 749 veröffentlichte Gegen-
ausführungen, welcher im Uebrigen annimmt, dass der Schutz der
Anlieger in der Unterwerfung des Strasseneigenthümers unter das
Nachbarrecht liege (davon unten). LÖBELL meint, dass eine
andersartige Entstehung von Haus und Strasse, als das Reichs-
gericht konstruire, möglich sei; der Gerichtshof habe auf Grund
historischer Erfahrung eine den Gegenbeweis ausschliessende ge-
setzliche Vermuthung aufstellen wollen; die vertragsmässig be-
gründete Dienstbarkeit sei aber lediglich eine Fiktion. Auch
MAYER nennt die Begründungsweise, wie das Gericht sie ent-
wickelt, dunkel und die Behauptungen nicht den Thatsachen
entsprechend. Solange die Strasse bestehe, würde die Servitut
keine Wirkung haben, welche nicht schon im Gemeingebrauche
läge. Wenn aber die Strasse verlegt werde, dann solle sie nicht
mehr vorhanden sein. Er meint, das Verwaltungsrecht habe
zwar seinen Ausgang vom Civilrechte genommen; trotz seiner
neueren Entwickelung werde es aber noch jetzt vielfach zu Un-
recht vom Standpunkte des Civilrechtlers aus angesehen. Nur,
um einen Enntschädigungsanspruch zu begründen, werde ein sub-
jektives Recht, die Servitut, angenommen. Allerdings stehe der
Anlieger in einem besonderen Verhältnisse zur Strasse, und die
Entziehung der Zugänglichkeit sei ein Eingriff in den recht-
mässigen Vermögensbestand der Adjacenten. Auf seine Er-
klärungsweise kommen wir unten zurück.
Ueber das innere Wesen der „Servitut“ hatte das Reichs-
gericht (Bd. VII S. 215) gemeint: „Das Verhältniss der Haus-
.eigenthümer zu der vorüberführenden Strasse geht nicht auf in
der Jedermann zustehenden Befugniss, sich der Strasse als Kom-
munikationsmittel zu bedienen, unterscheidet sich vielmehr von