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sorgen wolle, ein positiver Rechtssatz solle aber in dem Artikel nicht
gefunden werden, er spiele also nur eine mehr dekorative Rolle.
Dem ist beizutreten. BiERMANN sieht den Artikel zugleich
als Norm wie als Direktive an. Dies kann einmal jedenfalls nur
bedeuten, dass $ 75 Einl. Allg. L.-R. nicht tangirt ist. Der Direktive
der Verfassung ist dann andererseits in der Eixpropriationsgesetz-
gebung Folge geleistet. Eine Uebertragung des 8 75 auf andere
Landestheile durch Art. 9 hat aber nicht stattfinden können,
weil Letzterer eben positiven Inhalt überhaupt nicht hat. Aus
diesem Grunde braucht auch die Entschädigung nicht schon vor-
läufig festgestellt zu werden, welcher Feststellung auch in der
Praxis nicht unbedeutende Schwierigkeiten entgegentreten würden.
Wir kommen daher für das landrechtliche Gebiet zu folgen-
dem Schlusse: Die Befugniss der Anlieger an Ortsstrassen ist
ein Ausfluss des Gemeingebrauchsrechts, weil die Ortsstrassen
für den Anbau mitbestimmt sind. Sie entspringt nicht einem
subjektiren Rechte, sondern objektiven, öffentlichen Rechts-
verhältnissen, ist aber trotzdem rechtlich geschützt. Sie ist ein
besonderer Vortheil im Sinne des $ 75 Allg. L.-R. Einl., welcher
durch die nachfolgende Gesetzgebung nicht geändert ist. Der
Gebrauch der Strasse ist beschränkt durch deren öffentlichen
Zweck. Schädigende Veränderungen an ihr, welche deren Zweck-
bestimmung oder sonstige polizeiliche Interessen hervorgerufen
haben, sind obrigkeitliche Akte, für welche Entschädigung nur
dann zu leisten ist, wenn ein Adjacent seinen individuellen Vor-
theil aufopfern muss, d. h. wenn er ausnahmsweis, ungleichartig
Anderen betroffen wird.
Wie ist es nun in den anderen Rechtsgebieten?
Zunächst steht nichts entgegen, die Befugniss der Anlieger
auch hier als Ausfluss des Gemeingebrauches anzusehen (O.-V.-G.,
Entsch. vom 10. Mai 1897, Selbstverwaltung 1898, S. 3) und
die Verfügungen über das Strasseneigenthum als solches als obrig-
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