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führt, ist ein das Thema verschiebender und verschleiernder Einwand: das
Ziel der hervorragenden Leistung HEILBoRnN’s ist zunächst, die Lehre vor
Stagnation zu hüten, — nach dem Satze BorrHave’s, wonach Gesundheit und
völlige Ruhe zwei unvereinbare Dinge sind. Dieses Ziel wird HEILBORN
sicher erreichen. Niemand wird das von ihm vorgeschlagene System en bloc
oder auch nur zum grössern Theil annehmen, da sei ein gut Geschick davor;
es wird aber auch Niemand fortan und für eine weite absehbare Zeit an
die systematische Darstellung eines grösseren Segments der Lehre heran-
treten, ohne HEILBORN vorerst zu konsultiren, um in kritischer Ablehnung
oder in sachgemässem Anschluss Stellung zu seinen Richtsätzen zu nehmen.
So ist etwa im Allgemeinen Theil des von HEILBORN vorgeschlagenen
Systems, — ich stelle die Schlussfolgerungen des Werkes, wie man sieht,
den raisonnierenden und polemischen Ausführungen voran, — kaum ein Punkt,
dem ich im Lehrvortrag oder in der schriftstellerischen Behandlung des
Stoffes unbedingt Folge leisten möchte. Ebensowenig halte ich das von ihm
gegebene Schema des Personenrechts für tauglich, das amtlich nicht
qualifizirte Personen, einzelne Staatsangehörige, amtlich charakterisirte inter-
nationale Magistraturen und den Papst in eine innerlich geschlossene Gruppe
zusammenfassen zu können glaubt. Nicht besser rechtfertigt sich die Unter-
bringung des Schiffsrechts unter die Rubrik des Rechts der Individuen.
Ich wüsste keinen Grund, der mich zu dieser Auftheilung bestimmen könnte,
nachdem die von mir — gegenüber der Planlosigkeit in der Stoffanordnung bei
WAGNER, LEwIs u. A. — vor zwölf Jahren im HoLTZEnDoRFF’schen Handbuch
des Völkerrechts Bd. 2 S.519f. zum ersten Mal angewandte Systematik seit-
her zumal in der fremdländischen Fachliteratur, aber auch in der deutschen An-
nahme und Zustimmung gefunden hat, so dass ich sie auch meiner Darstellung
des Schifffahrtsrechts im v. STENGEL’schen Wörterbuch, Ergänzungsband III, zu
Grunde legen konnte. — Dagegen will ich gerne anerkennen, dass die Einfügung
des Kap. II: „Ueber das Obligationenrecht“, unzweifelhaft der Lehre wieder eine
Fülle von Rechtsstoff zuführen kann, welcher bisher mangels einer geeigneten
Stelle im System ausserhalb der fachlichen Arbeit verblieben ist. Die Be-
fürchtung, dass dadurch einer privatrechtlichen Behandlung des öffentlichen
Rechts der Schlüssel in die Hand gedrückt würde, theile ich nicht; die Ab-
wehr dieser Gefahr ist weniger eine quaestio iuris als eine quaestio personae.
Wir hoffen mit HEıLBoRN, dass dadurch eine vielseitige juristische Durch-
arbeitung der Grundbegriffe dieses Rechtszweiges angebahnt werden wird.
Nicht minder treffend erscheint uns, von einzelnen kleinen Vorbehalten ab-
gesehen, die von HEILBORN vorgeschlagene Stoffgruppirung für das Recht
der Selbsthilfe. Die Steigerung giebt hier von feinem Fachgefühl Zeugniss,
der gezogene Rahmen ist sachgemäss und ausreichend.
Haben wir die Betrachtung des Systems vorangestellt, so gehen wir
dabei von der befugten Annahme aus, dass auch die materiellen Aus-
führungen des Verfassers von dem Geist beherrscht sind, der im proponirten